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031 - Der Puppenmacher

031 - Der Puppenmacher

Titel: 031 - Der Puppenmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Vlcek
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und waren blutunterlaufen. Seine knochige Rechte deutete irgendwo vor sich hin.
    »Der Totenkopf!« sagte er mit einer gespenstisch hohlen Stimme.
    »Da ist kein Totenkopf, Phillip«, sprach Hayward beruhigend auf ihn ein und drückte ihn sanft auf die Kopfkissen zurück. »Hier sind nur zwei Freunde. Die beiden Männer sind Freunde, Phillip. Ich habe sie mitgebracht, damit sie dir helfen.«
    »Das Todesmal!« wiederholte Phillip und deutete diesmal auf Donald Chapman, der inzwischen das Fußende des Bettes erreicht hatte.
    Chapman wand sich in gespieltem Unbehagen.
    »Ich bekomme es direkt mit der Angst zu tun«, meinte er.
     

     
    Dorian warf ihm einen zurechtweisenden Blick zu, worauf Chapman ein zerknirschtes Gesicht machte.
    Hayward ließ seinen Sohn los, trat einen Schritt zurück, wischte sich über die Augen und sagte: »Das hat nichts zu bedeuten. Phillip geriet nur durch Ihr Erscheinen etwas in Aufruhr, aber jetzt hat er sich wieder beruhigt.«
    Dorian hatte nun Gelegenheit, den Jungen näher zu betrachten.
    Phillip Hayward hatte eine unglaublich blasse Haut. Die vollen, sinnlichen Lippen leuchteten wie ein rotes Signal aus seinem schmalen, kalkweißen Gesicht. Das blondgelockte Haar, wirr und ungekämmt, hing ihm bis auf die schmalen Schultern hinunter. Er hatte immer noch das glatte, feine Gesicht eines Engels – wie auf dem Foto –, wenngleich es vom Tode gezeichnet war; und auch wenn seine Wangen blutleer und die Augen von schwarzen Ringen unterlaufen waren, so war sein Gesicht immer noch schön. Er hatte etwas von einem Mädchen an sich; sein ganzes Gehabe, jede seiner Bewegungen hatte etwas Feminines. Ja, er wirkte albinoid. Aber seine Augen tief in den Höhlen leuchteten nicht rötlich, sondern hatten einen goldenen Glanz. Dorian hatte noch nie solche Augen gesehen. Er versuchte, ihren Blick auf sich zu lenken, um in ihnen lesen zu können, aber selbst als Phillip sich ihm zuwandte, blickte er durch ihn hindurch in unbestimmte Fernen.
    Phillip hatte die schlanken, grazilen Hände eines Künstlers. Sie ruhten nie, sondern waren ständig in Bewegung.
    Mal strichen sie über die Bettdecke, wobei sie jeder Falte, die der Stoff warf, nachfuhren, dann wieder liebkosten sie einander, wanderten weiter zum Bettrand, kamen zurück und betasteten Phillips Körper als wollten sie fühlen, daß er noch da war. Es schien, als hätten die Hände ein eigenes Leben. Ja, sie waren tatsächlich voll Leben, obwohl ihr Besitzer in den letzten Atemzügen dalag. Dorian war fasziniert und erschüttert zugleich. Phillip war eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Irgendwie erinnerte er ihn an ein Orakel aus der griechischen Mythologie.
    Dorian mußte sich gewaltsam in die Wirklichkeit zurückzwingen, damit seine Gedanken nicht ins Uferlose abrutschten. Er betrachtete Phillip wieder nüchterner und glaubte festzustellen, daß sich unter seinem Nachthemd zwei kleine mädchenhafte Brüste abzeichneten.
    »Täusche ich mich«, fragte er verwirrt, »oder besitzt Phillip wirklich weibliche Geschlechtsmerkmale?«
    Hayward griff schnell nach der Bettdecke und zog sie Phillip bis zum Hals hinauf.
    »Das hat nichts zu bedeuten«, sagte er. »Es kommt in gewissen Zeitabständen vor, daß sich bei Phillip Brüste wie bei einer Frau entwickeln. Das ist auf die vielen Hormonspritzen zurückzuführen, die ihm die Ärzte gegeben, haben. Sie haben ihn total verpfuscht. Aber was kümmert Sie das? Sehen Sie ihn sich an, wie er leidet. Die Dämonen saugen das Leben aus ihm heraus. Er verwelkt wie eine Blume. Tun Sie etwas für ihn, Mr. Hunter!«
    Dorian gab keine Antwort. Er schob Hayward sanft aber bestimmt beiseite und setzte sich auf den Bettrand. Für einen Moment schien es, als würde Phillip ihn ansehen, aber dann sah er wieder durch ihn hindurch. Dennoch mußte er Dorian bemerkt haben und sich seiner Anwesenheit bewußt sein. Denn plötzlich kam wieder Bewegung in seine Hände, sie glitten, nein, sie schwebten über die Bettdecke und tasteten sich an Dorian hoch. Phillip richtete sich im Bett auf, um seinen Händen nachzugeben, die bei dem Fremden auf Entdeckungsreise gingen.
    »Überanstrenge dich nicht, Phillip.« ermahnte Hayward ihn.
    »Lassen Sie ihn!« sagte Dorian. Und an Phillip gewandt: »Mein Name ist Dorian Hunter, Phillip. Dein Vater hat mich gerufen, weil er glaubt, daß Dämonen dich quälen. Weißt du etwas darüber, Phillip?«
    Phillips Hände hatten Dorians Gesicht erreicht. Sie betasteten sein Kinn und den

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