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031 - Die Mörderpuppen der Madame Wong

031 - Die Mörderpuppen der Madame Wong

Titel: 031 - Die Mörderpuppen der Madame Wong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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nicht aufgaben. Lautlos, geduckt wie ein Panther, huschte er durch
die enge Straße. Er sah die schmalen Treppen vor sich, übersprang mehrere
Stufen und erreichte die düstere Gasse, die zum Hafen führte.
    Das dünne Hemd klebte wie eine zweite Haut auf seinem
Körper. Es war eine jener schwülen Nächte, die häufig den heißen, feuchten
Tagen folgten, die typisch für den Hongkong-Sommer waren. Obwohl es erst Anfang
Mai war, herrschten seit Tagen hochsommerliche Temperaturen.
    Rod warf keinen Blick zurück. Jede Sekunde Verzögerung
konnte ihm den Tod bringen, und er rannte um sein Leben. Ihm war klar, dass
seine Nachricht ihren Zielort erreichen musste, um weiteres Unheil zu
verhindern, jetzt, wo er wusste, wie die Dinge zusammenhingen. Allerdings
fehlte ihm noch der letzte schlüssige Beweis.
    Nach zweihundert Metern erhoben sich links und rechts
neben ihm die düsteren Mauern alter Häuser. Diese finstere Seitenstraße lag wie
ausgestorben da.
    Lauschend blieb Rod stehen und musste sich abstützen. Er
war seit einer Stunde unterwegs, und seine Körper- und Nervenkräfte drohten zu
versagen. Er durfte nicht aufgeben, nicht so dicht vor dem Ziel.
    Noch ein paar hundert Meter, dann würde er das Meer
erreichen und im Gewirr der Hausboote, Dschunken und schwimmenden Restaurants
untertauchen. Dort traf er dann auch seinen Mittelsmann, Gun Yat, einen reichen
Chinesen. Dieser besaß mehrere schwimmende Restaurants, drei oder vier
Vergnügungslokale im Stadtzentrum – und er arbeitete für den Geheimdienst.
    Minuten später lagen die zahllosen Boote vor ihm.
    Die dunklen, glatten Masten ragten wie Stalagmiten in den
nächtlichen Himmel, und die Aufbauten duckten sich wie lauernde Tiere am Fuße
der Masten. Leise plätscherten die Wellen gegen die Außenwände. Dunkle
Gestalten konnte man auf den Booten erkennen. Ein Gewirr von Geräuschen und
Stimmen erfüllte die Luft.
    In diesem Wald der dicht an dicht liegenden Boote lebten
mehr als hundertfünfzigtausend Menschen. Es war eine schwimmende Stadt, deren
Bewohner selten das Festland betraten.
    In der Dunkelheit eines Winkels wartete Rod Shanters noch
einige Minuten und hoffte, seine Verfolger abgeschüttelt zu haben.
    Seine Blicke suchten den dunklen Boden ab, weil er am
eigenen Leib erfahren hatte, dass sie lautlos
heranschlichen, sich dem Opfer näherten ... und dann ...
    Ein Schauer lief über seinen Rücken, und seine Haut zog
sich zusammen, als er daran dachte.
    Wer hätte geglaubt, dass es so etwas Unheimliches gab!
    Puppen, die lebten – und mordeten.
    Aber er bemerkte nichts und konnte es wagen. Rod stieg
über die Boote hinweg und fand sich erstaunlich gut zurecht. Diesen Weg war er
schon mehr als einmal gegangen.
    Gun Yat besaß ein primitives Hausboot, das sich nicht von
den anderen unterschied. Es war alt und mit Seetang bedeckt, der Mast war
verwittert, und das Holz hätte längst einen neuen Anstrich benötigt, um es vor
Witterungseinflüssen zu schützen.
    Der Engländer sprang auf das Deck und bückte sich, um
durch den kleinen Eingang zu kommen, der nach unten in die Kabine führte.
    Die ausgetretenen hölzernen Stufen knarrten. Rod schob
den schweren Stoffvorhang zur Seite, der den kleinen Raum dahinter verbarg.
    »Gun?«, rief er leise, doch die Kabine war leer. Das war
nicht ungewöhnlich. Gun Yat tauchte hier nur gelegentlich auf, und dann
verkleidete er sich als armseliger Fischer.
    Auf dem kleinen Tisch neben einer Liegestatt stand eine
Öllampe – die brannte. Ein Beweis, dass jemand hier gewesen sein musste. Oder
noch war.
    Das machte ihn stutzig, er wurde unruhig.
    In dem kleinen Holzschrank, der in die Wand eingebaut
war, standen hinter den verschmierten Glasscheiben chinesische Puppen,
Porzellanväschen, eine Flasche mit Reiswein und ein Miniaturbild, das ein
kleines Mädchen mit einem roten Sonnenschirm zeigte.
    Der Schein der Lampe tauchte den winzigen Raum in ein
gelbliches, diffuses Licht. Die einfachen Einrichtungsgegenstände warfen lange,
sich ständig verändernde Schatten an die dunkle Holzwand.
    Einmal war es Rod Shanters, als ob sich etwas in seiner
Nähe bewegte. Er hörte ein dumpfes, polterndes Geräusch – wirbelte herum.
    Der Stoffvorhang bewegte sich. Erschrocken wich er
zurück.
    »Gun?«, fragte er erneut, kaum hörbar. Nichts geschah.
Rod sprang vor, riss den Vorhang zur Seite und starrte in den düsteren Aufgang,
der nach oben an Deck führte. Das Poltern war aus dem Nachbarboot gekommen, das
so dicht an diesem lag,

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