0311 - Am Todestag von Isabell
Haus?«, fragte ich.
»Mein Vater, meine Schwester Trixy und Mister Sam Delory.«
»Und wo sind sie?«
Sie zuckte die Achseln.
»Trixy wird in ihrem Zimmer sein. Wahrscheinlich hatte sie einen hysterischen Anfall. Vater und Sam sitzen vermutlich im Wohnzimmer, und sicherlich sind sie betrunken.«
»Erzählen Sie mir mal, was es mit Ihrer Weißen Frau auf sich hat.«
»Gern«, sagte sie und strich sich eine Locke aus der Stirn. »Isabell Hardman war meine Urgroßmutter. Ihre Eltern waren 1790 gius Europa eingewandert und hatten es in kurzer Zeit verstanden, reich zu werden.«
»Ja, und weiter?«, mahnte ich.
»Isabell war ein bildschönes Mädchen. Dort drüben an der Wand hängt ihr Bild.«
Ich sah hin. Es war ein Ölgemälde, das eine junge, rothaarige Frau in einem der damals modernen, tief ausgeschnittenen Kleider zeigte.
»Isabell, so erzählte man sich, liebte einen verheirateten Mann aus einer der ersten Familien der Stadt. Sie wissen, was das zu jener Zeit bedeutete. Es bedeutete, dass ihre Liebe hoffnungslos war. Plötzlich aber starb die junge Frau dieses Mannes, und sofort gingen Gerüchte um, sie sei durch schwarze Magie getötet worden. Als dann der Witwer Isabell heiratete, wurden die Gerüchte lauter. Es gab Menschen, die behaupteten, sie hätten Isabell auf einem schwarzen Bock bei Nacht zum Fenster hinausreiten sehen. Die Gerichte mischten sich schließlich ein, sie wurde verhaftet, und gestand unter Folter, dass sie ihre Seele dem Satan verschrieben habe, damit dieser ihr die Künste beibringe, die sie brauchte, um die Rivalin zu beseitigen und den Mann zu gewinnen. Wie nicht anders zu erwarten, wurde sie verurteilt. Der Henker erwürgte sie mit einem Strick. Bevor sie starb, sprach sie einen grässlichen Fluch aus. Jeder Mann, der an ihrem Todestag und in ihrer Todesstunde - dem 13. August, um Mitternacht - ihr Zimmer betreten oder sich darin aufhalte, sollte auf die gleiche Weise wie sie umkommen. Daraufhin wurde ihr Zimmer von den Behörden verschlossen und versiegelt. Aber der Mann, den sie betört hatte, forderte das Schicksal heraus. Als sich ihr Todestag zum ersten Mal jährte, öffnete er heimlich das Zimmer, um die Nacht darin zu verbringen. Am Morgen 6 fand man ihn mit einem Strick erwürgt. Mein Urgroßvater ließ das Zimmer erneut verschließen und versteckte den Schlüssel. Seitdem hat niemand mehr den Raum betreten, bis heute Nacht.«
»Eine schöne Geschichte, aber nur eine Geschichte, Miss Evelyn. Wenn über hundert Jahre niemand in diesem Zimmer war, wer hat dann so gründlich ausgefegt, und Staub gewischt? Können Sie mir das erklären?«
»Isabell«, antwortete sie im Brustton der Überzeugung.
***
Phil kam zurück.
»Unsere Mordkommission wird in zehn Minuten hier sein«, sagte er. »Dann werden wir wohl der Weißen Frau auf die Sprünge kommen.«
Wir gingen auf die Suche nach dem Rest der Familie. Wir klopften der Reihe nach an drei Türen und öffneten sie, als wir keine Antwort bekamen. Die ersten beiden Zimmer waren leer. Im dritten fanden wir ein Mädchen, von dem ich annahm, dass es Evelyns Schwester Trixy war.
Sie hatte das gleiche pechschwarze Haar, aber weiße Haut und grüne Augen. Ihre Figur war zierlich, fast zerbrechlich. Sie hörte uns nicht, als wir eintraten. Sie saß am Tisch, hatte das Gesicht in den Händen vergraben und schluchzte herzergreifend.
»Miss Hardman«, sagte ich. »Wir möchten uns gerne mit ihnen unterhalten. Wir brauchen ein paar Auskünfte, die Sie uns wahrscheinlich geben können.«
Sie fuhr hoch und starrte uns an, während ihr die Tränen über die Wangen rannen.
»Wer sind Sie? Was wollen Sie?«
»Wir sind FBI-Beamte. Warum weinen Sie?«
»Weil mein Bräutigam tot ist.«
»Woher wissen Sie das? Sie sprechen doch von Mister Motley?«
»Ja. Er ging in dieses verfluchte Zimmer, obwohl ich mir die größte Mühe gab, ihn zurückzuhalten. Er wollte dort bis Mitternacht bleiben. Genau um zwölf Uhr ging ich hin. Ich konnte es einfach nicht mehr aushalten. Da hörte ich leise Stimmen, dann einen heiseren Schrei und ein Geräusch, als ob jemand mit den Füßen auf der Erde scharrte. Ich rief, und als ich keine Antwort bekam, wusste ich, dass Oliver tot ist. Ich glaube, ich habe laut geschrien und gegen die Tür geschlagen. Dann lief ich zurück in mein Zimmer.«
»Glauben Sie etwa auch an die Weiße Frau?«
»Ich weiß nicht, was ich glauben soll«, wimmerte sie. »Jeder in diesem Haus spricht von der Weißen
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