0316 - Dämonen-Bingo
höllischen Macht geliefert, etwas, das mich sehr erschreckte.
Der Mann an der Decke verschwand.
So einfach möchte ich es zunächst einmal ausdrücken. Dennoch bekam ich kugelrunde Augen, als ich feststellen mußte, daß Kid Larson keinen rechten Fuß mehr besaß.
Er war weg.
Und auch den linken Arm sah ich nicht mehr.
Ebenfalls die rechte Hüfte. Wo sie gesessen hatte, befand sich im Körper ein nierenförmiger Einschnitt.
Ein unheimlicher, für mich nicht erklärbarer Vorgang, denn auch die Schultern an der linken Seite wurden in Mitleidenschaft gezogen.
Ein menschliches Puzzle bot sich meinen Blicken.
Ich trat unwillkürlich zurück, denn dieser Anblick hatte mich tief getroffen.
Das war einfach unfaßbar. Über mir schwebte ein Mensch, der nur mehr die Hälfte seines Körpers besaß, da alles andere verschwunden war.
Wirklich weg!
Ein grelles Lachen drang aus Kid Larsons Mund. Sein Gesicht war noch vorhanden, bis zu dem Augenblick, als ich hochschaute.
Da befand es sich an einer anderen Stelle, denn ich hörte das Lachen von der Tür her.
Sofort kreiselte ich herum.
Die Haut auf meinem Rücken zog sich zusammen, denn über der Tür sah ich seinen Kopf. Links daneben, vielleicht zwei Yards entfernt, erkannte ich einen Teil der Schulter, direkt an der Decke ein Bein und in entgegengesetzter Richtung sogar den linken Arm.
Die Kräfte der Hölle hatten den Menschen auseinandergerissen und ihn dennoch am Leben gelassen. Der Kopf, der über der Tür schwebte, sprach sogar zu mir.
»Ich habe ihm gedient, Bulle, ich werde ihm immer dienen. Wer einmal die Schönheiten der Hölle gesehen hat, kommt nie mehr davon los. Der ist eingenommen…«
»Nein, geblendet!« schrie ich.
»Das sagst du, aber ich vertraue auf den Teufel. Er hat mir Schutz gegeben, er wird mich einsetzen…«
Das Kreuz wurde warm.
Ich schaute es an seinen vier Enden an und sah dort das heftige Pulsieren. Es mußte einfach reagieren, wenn es mit einer solchen Konzentration höllischer Macht konfrontiert wurde.
Ich hatte es nicht einmal zu aktivieren brauchen, es spürte von selbst die beklemmende Gefahr, die auch mich allmählich umgarnte.
Das Gesicht über der Tür verzerrte sich. »Du verdammter Bulle!« spie mir der andere entgegen. »Du wirst es nicht schaffen. Der Teufel ist stärker. Er kann nicht schwächer sein, er kann nicht…«
Mich traf der Schlag.
Für eine nicht erfaßbare Zeitspanne änderte sich alles um mich herum.
Ich wußte mit einemmal nicht mehr, wo ich mich befand. Wo war der Boden, wo oben und unten? Ich schwebte in einem Vakuum aus Licht und weißmagischer Energie.
Der Satan hatte einfach überzogen, das Kreuz stemmte sich dagegen, und Kid Larson geriet zwischen die Mahlsteine von Licht und Schatten.
Er wurde aufgerieben.
Ich sah ihn wieder, als alles vorbei war.
Da lag er auf dem Boden. Als Mensch?
Beim ersten Hinschauen bestimmt. Er war auch nicht mehr zerrissen, nur etwas hatte sich geändert.
Kid Larson lebte nicht mehr.
Sein Kopf stand so seltsam vom Hals ab. Für mich gab es nur eine Erklärung. Er hatte sich das Genick gebrochen, wobei der Satan wohl nicht ganz unschuldig war.
Ich holte noch einmal tief Atem, bevor ich mich bückte und ihn genauer untersuchte.
Nein, da war nichts mehr zu machen. Ich konnte ihm nicht helfen.
Er war am Ende seines Lebens angelangt. Und er war nicht in Frieden gestorben, denn der Ausdruck in seinen gebrochenen Augen ließ auf Schmerz, Angst und Hoffnungslosigkeit schließen. Kid Larson, ein Zwanzigjähriger, hatte an die falsche Seite geglaubt. Wenn die Hölle einen Diener nicht mehr brauchte, ließ sie ihn fallen oder schaltete ihn gnadenlos aus.
Ich erhob mich, ging zur Tür und klopfte dreimal gegen das mit Metall verstärkte Holz. Es war das Zeichen, daß ich mit den Beamten abgemacht hatte.
Mir wurde geöffnet. Ich schaute in das bärtige Gesicht des Oberaufsehers Gannon.
»Und?« fragte er mich.
Einen Schritt trat ich zur Seite, damit Gannon in die Zelle schauen konnte.
Der Mann erschrak und wurde bleich. »Ist er tot?« fragte er mit heiserer Stimme.
»Ja.«
Es dauerte Sekunden, bis er sich gefangen hatte. Langsam nur hob er den Kopf. Danach schaute er mich an. Er sprach dabei kein Wort, dennoch konnte ich die Gedanken in seinem Gesicht ablesen. Es lag ja auf der Hand, was er vermutete.
Ich war mit dem Gefangenen allein in der Zelle gewesen, und normalerweise hätte ich nur als dessen Mörder in Betracht kommen können. Schließlich waren die
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