0316 - Der Sprung ins Verderben
Himmel. Die Sonne schien noch am selben Fleck zu stehen. Eine Veränderung, wenn es eine gegeben hatte, war nicht zu bemerken. Es war, als stünde die Zeit still.
Ras erschrak. Er blieb stehen und sah auf seine Uhr. Seit seinem Sprung aus der Space-Jet waren erst zwei Minuten vergangen, wenn die Uhr nicht stehengeblieben war. Er hielt sie ans Ohr, aber kein Ticken war zu vernehmen. Kopfschüttelnd untersuchte sie Ras. Es war unmöglich, daß eine solche Uhr nicht mehr funktionierte. Sie lief mit einer winzigen Batterie, die sich niemals erschöpfte, weil sie sich immer wieder neu auflud. Er hielt sie noch einmal ans Ohr, und diesmal war das Ticken da - aber nur einmal und sehr langgezogen. Es hörte sich an wie ein dumpfklingender Gong.
Der Sekundenzeiger war einen Millimeter vorgekrochen.
Und Ras begriff, daß er tatsächlich in einer anderen Dimension weilte, aber nur die Uhr wurde davon betroffen. Er selbst nicht, denn sonst müßte auch sein Herz fast stillstehen und er langsamer leben.
Nicht gerade beruhigt wanderte er weiter.
Er mochte vielleicht zwei Meilen gewandert sein, als er plötzlich stehenblieb. Erst jetzt war ihm zu Bewußtsein gekommen, daß an seinem Gürtel ein schweres Gewicht hing. Die A-Bombe!
Der Zünder lief völlig geräuschlos. Der rote Zeiger aber, der die verstrichene Zeit angab, deutete darauf hin, daß seit Zündbeginn erst drei Minuten vergangen waren. Das stimmte mit der Zeit der Uhr überein.
Einen Augenblick lang überlegte Ras, ob er die Bombe einfach fortwerfen sollte, aber dann entschied er sich dagegen. Vielleicht brauchte er sie noch einmal. Sie wog kaum mehr als fünf Kilo. Er ließ sie im Gürtel und marschierte weiter.
Er schätzte, daß er nun bereits eine Stunde auf dieser Welt und in dieser Dimension lebte, und auf der Uhr waren fünf Minuten vergangen. Insgesamt hatte er knapp vier Meilen zurückgelegt. Eine Stunde - das waren also im normalen Universum fünf Minuten. Man lebte hier länger als dort.
Aber die Bewegungen der Tiere, die er überall in der Steppe in ganzen Herden beobachten konnte, waren völlig normal. Die Verschiebung betraf nur den mechanischen Zeitnehmer, keinen Organismus.
Das war auf der einen Seite beruhigend. Auf der anderen gab es neue Rätsel auf.
Nach zwei Stunden ging die Steppe in Buschwald Über. Das Gras wurde saftiger und grüner. Der Boden selbst schien feucht geworden zu sein. Er stieg ein wenig an, und das Gehen wurde beschwerlicher.
Ras wußte selbst nicht so genau was er hier zu finden hoffte. Bis jetzt waren keine Anzeichen dafür vorhanden, daß es Menschen oder andere intelligente Lebewesen gab. Tiere hingegen gab es genug.
Als er stehenblieb und in die nun tiefer gelegene Steppe hinabschaute, konnte er die Herden sehen, die unbekümmert jn einem unberührten Paradies grasten.
Zehn Minuten später - Hier-Zeit kam er an einen kleinen, klaren Bachlauf. Zum erstenmal sah er Steine. Der Bach kam also von den Bergen und hatte sie mitgebracht. Die ersten Bäume erregten seine Aufmerksamkeit. Es waren knorrige Gewächse, wie er sie noch nie gesehen hatte. Auf keinen Fall waren es Bäume, wie er sie von der Erde her kannte.
Und doch schienen sie ihm vertraut zu sein.
Er bückte sich und stillte seinen Durst. Das Wasser war kalt und schmeckte gut. Im Schatten des Waldes, der den Oberlauf umschloß, hatte es keine Gelegenheit zur Erwärmung haben können. Wenn er dem Lauf des Baches folgte, fand er vielleicht...
Er dachte den Gedanken nicht zu Ende. Seine suchenden Augen hatten entdeckt, was er niemals hier zu finden hoffte. Es lag an einer flacher Uferstelle, von der Strömung angeschwemmt, und es war ein unmißverständliches Zeichen für das Vorhandensein intelligenten Lebens.
Am Ufer nämlich lag ein abgebrochener Pfeil.
Ras rührte sich nicht, aber er lauschte. Der laue Wind strich durch die Zweige der Bäume und durch die dichten Blätter der Büsche. Vögel stießen fremdartige, schrille Schreie aus und unterbrachen die Stille. Dazwischen hörte Ras das ferne Stampfen einer davonrennenden Herde, die vielleicht durch eine Gefahr aufgeschreckt worden war und ihr Heil in der Flucht suchte. Sonst nichts.
Vorsichtig bückte er sich und hob den Pfeil auf. Der Rest des Schaftes war roh geschnitzt; vielleicht hatte man nur die Rinde entfernt. Die Spitze selbst bestand aus einem scharfen Knochen, der mit Fasern oder Sehnen an dem Schaft befestigt war. Er war mit eingetrocknetem Blut befleckt, das auch das Wasser nicht
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