0317 - Das Todeslied der Unterwelt
zu.
»Mrs, Coster?« fragte er.
Sie sah ihn an. Eine Schönheit war sie nicht. Aber sie verstand, etwas aus sich zu machen, wenn sie auch die kosmetischen Möglichkeiten ein bißchen zu stark ausnutzte.
Ihre Augen blickten erfahren, mißtrauisch und lauernd.
»Ja?« erwiderte sie.
Norman verzichtete darauf, seinen Dienstausweis zu zeigen. Er wollte in der belebten Hotelhalle kein Aufsehen erregen.
»Ich heiße Norman Pitterley«, sagte er leise. »Ich bin G-man. Es tut mir leid, daß ich Sie stören muß. Wir haben etwas herausgefunden, was uns auf die Spur des Mörders Ihres Mannes bringen kann. Ich muß Sie deshalb bitten, mit zum Distriktgebäude zu kommen.«
Sie zögerte unmerklich.
Norman erriet ihren Gedankengang schnell. Sie konnte kein Interesse daran haben, daß der Mörder gefaßt wurde, weil sie fürchten mußte, daß er sie mit in die Sache hineinziehen würde, wie es Albert Stein ja auch getan hatte. Aber dann nickte sie entgegenkommend.
»Gern, Officer. Muß ich mich extra umziehen?«
»Selbstverständlich nicht.«
»Ich komme natürlich mit, Gloria«, sagte der Jüngling. »Haben Sie etwas dagegen?«
»Nicht im geringsten«, erwiderte Norman und dachte: mit dir müssen wir uns sowieso mal beschäftigen. Vielleicht bist du der zweite Nutznießer dieses Mordes. Vielleicht hast du die Frau überhaupt erst auf den Gedanken gebracht… »Okay, Junge, komm ruhig mit.«
»Ich habe einen Wagen draußen«, sagte Norman und ging voran.
Etwa zehn Minuten später betrat er mit ihnen das Distriktgebäude. Er führte sie zunächst in eines der Zimmer, wo Leute warten können, und entschuldigte sich für ein paar Minuten. Aus dem benachbarten Büro rief er im Vernehmungszimmer an.
»Sam Willton soll sofort herunter ins Wartezimmer 2 kommen«, sagte er. »Ich warte vor der Tür auf ihn.«
Er legte den Hörer auf und ging in den Flur hinaus. Willton, der zweite Mann aus dem Vernehmungsteam, das sich mit Albert Stein beschäftigt hatte, erschien wenig später. Norman zog ihn auf die Seite und sprach leise auf ihn ein.
»Hör zu, Sam. Ich habe die Frau aus dem Hotel geholt. Kann sein, daß der Junge recht hat. Jedenfalls hat es die Frau faustdick hinter den Ohren. Sie ist mißtrauisch wie ein Reh in freier Wildbahn. Sie war nicht allein. Da war so ein Lackaffe bei ihr, der mir auch nicht ganz geheuer vorkommt. Zwei oder drei Minuten, nachdem ich mit der Frau gegangen bin, kommst du wie zufällig ins Wartezimmer herein und fängst ein Gespräch mit ihm an. Versuch, seinen Namen und seine Anschrift herauszukriegen. Okay?«
Sam Wilton nickte.
»Geht in Ordnung, Norman. Ich gehe ins nächste Office hinein, während du die Frau herausholst. Er könnte mich durch die offene Tür sehen.«
»Ja, das ist gut so.«
Norman wartete, bis Sam verschwunden war. Danach ging er ins Wartezimmer und sagte zu dem jungen Mann:
»Sie werden sich ein paar Minuten hier allein unterhalten müssen, Sir. Aber es wird nicht lange dauern. Da liegen ja ein paar Illustrierte.«
»Okay«, meinte der Angesprochene achselzuckend. »Aber denken Sie dran, daß Mrs. Coster von dem furchtbaren Ereignis sowieso schon stark mitgenommen ist.«
»Wir werden alle Rücksicht darauf nehmen«, versprach Norman. »Würden Sie so freundlich sein und mit in mein Büro kommen, Mrs. Coster?«
»Selbstverständlich, Officer. Bis gleich.«
Sie nickte dem Jungen zu, während sie an Norman vorbei hinaus in den Flur trat. Norman fuhr mit ihr hinauf zum Vernehmungszimmer. Er hielt ihr die Tür auf. Sie trat zwei Schritte in den Raum hinein und blieb verdutzt stehen. Als sie sich umdrehte und Norman fragend ansah, sagte Pitterley:
»Albert, dreh dich mal herum, ja?«
Albert Stein wandte sich der Tür zu. Im selben Augenblick, als Gloria Coster ihn erkannte, fiel ihr das Handtäschchen aus den Fingern.
Der Verschluß öffnete sich. Lippenstift, Kleingeld, Puderdose, Augenbrauenstift, ein Röllchen Migränetabletten und ein goldenes Feuerzeug rollten durcheinander. Gloria Coster war kreidebleich geworden. Sie preßte die linke Hand aufs Herz und atmete nur sehr mühsam.
»Hallo«, sagte Albert Stein mit einem häßlichen Grinsen. »Nett von dir, daß du mich nicht allein lassen willst, wenn es vor den Richter geht, Puppe.«
»Stan!« krächzte die Frau leichenblaß. »Stan, wo bist du…?«
Norman Pitterley stutzte. Er schob der Frau einen Stuhl hin, lief zu seinem Schreibtisch und blätterte hastig in den Akten. Stan, Stan, Stan -der Name mußte
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