032 - Seelenträger
Halbwegs gesättigt verließ er sein Zimmer und schwamm zur Dachschleuse der Wohnsphäre. Weit und breit war kein Wächter zu sehen, auch sonst begegnete ihm niemand. Vorsichtig streckte er den Kopf durch die runde Öffnung und spähte nach draußen.
Inzwischen war es Nacht geworden.
Zwischen den Häusern schimmerten überall Leuchtsteine, die ganz Hykton in einen matten Schimmer tauchten, der aber schon zehn Meter über den Dächern stark an Wirkung verlor.
Selbst wenn über ihnen ein Schiff entlang segelte, konnte es die sechzig Meter tiefer liegende Unterwasserstadt nicht sehen. Die Tarnmaßnahme der Hydriten begünstigte aber auch seine Flucht aus Hykton. Vom Dach aus bedurfte es nur einiger kräftiger Schwimmstöße, um innerhalb von Sekunden mit der Dunkelheit zu verschmelzen.
Vorsichtig sah sich Matt nach allen Seiten um. Außer einigen vereinzelten Hydriten, die in weiter Entfernung zwischen die Kugelbauten kreuzten, war niemand zu sehen. Wurde er wirklich nicht überwacht?
Nachdenklich kaute er auf seiner Unterlippe. Das Ganze roch nach einer Falle, ganz klar. Vielleicht war sein Atemsystem auch komplett auf die Kiemen umgestellt, sodass er an der Oberfläche gar nicht mehr atmen konnte.
Was auch dahinter steckte - wenn er keinen Versuch wagte, würde er es nie herausfinden. Ein letzter Blick, dann stieß er sich vom Dach ab und katapultierte sich mit regelmäßigem Flossenschlag in die Höhe. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, während er das Zwielicht durchquerte, das wie eine hell schimmernde Käseglocke über Hykton lag. Er rechnete jede Sekunde damit, von allen Seiten beschossen zu werden, aber nichts dergleichen geschah. Nach acht Sekunden erreichte er den Scheitelpunkt des Lichtschirms und verschmolz mit der Dunkelheit.
Die Verspannung in seiner Brust löste sich.
Gut gegangen.
Sein Beinschlag wurde ruhiger, rhythmischer. Die Flossen pflügten durch das Wasser und trieben ihn auf direktem Weg zur Oberfläche. Wenn er an der Luft atmen konnte, brauchte er sich nur anhand der Sternbilder zu orientieren und gemütlich in Richtung Küste zu schwimmen. Ertrinken konnte er ja nicht mehr.
Matt musste bei diesem Gedanken unwillkürlich grinsen. Na also, seinen Galgenhumor hatte er schon wieder. Der Rest würde sich auch finden. Er musste einfach nur die Initiative übernehmen.
Die Distanz zum Meeresspiegel schmolz dahin.
Noch vierzig Meter. Noch dreißig.
Plötzlich fielen ihm die Bewegungen immer schwerer. Im ersten Moment hielt er die Schmerzen für einen Wadenkrampf, aber dann spürte er den Druck auf dem ganzen Körper. Fast so, als ob ihn eine gigantische Faust zerquetschen wollte. Matt rang verzweifelt nach Atem.
Sein Rippen begannen zu knacken. So paradox es auch klang, je weiter er sich der Oberfläche näherte, desto größer schien der Wasserdruck zu sein, der auf ihm lastete. Gleich darauf korrigierte er sich.
Seine Hände und der Kopf fühlten sich völlig normal an. Nur dort wo ihn der Taucheranzug umgab, wurden die Schmerzen schier unerträglich. Das verdammte Ding zog sich irgendwie zusammen!
Verzweifelt packte er in den Halsausschnitt, um sich das schrumpfende Material vom Leib zu reißen, doch seine Finger fanden einfach keinen Ansatz.
Sein Brustkorb deformierte sich, die Rippen begannen zu knacken. Wenn er nicht sofort etwas unternahm, würde er sterben! Verzweifelt warf er den Oberkörper nach vorn und tauchte mit hastigem Flossenschlag zwei Meter tiefer.
Die Schmerzen ließen etwas nach, sodass er die Beine wieder richtig durchziehen konnte. Mit jedem Meter, den er tiefer kam, wich der Druck von seiner Haut.
Der Taucheranzug dehnte sich wieder aus, bis er so bequem saß wie zuvor.
Wütend tastete Matt nach irgendwelchen Verschlüssen, um sich der Kluft zu entledigen. Er wollte lieber frieren als dieses Teufelsding noch eine Sekunde länger zu tragen. Seine Bemühungen waren vergeblich. Die Oberfläche des Materials war völlig glatt. Der Anzug umschloss seinen Körper durchgehend wie eine zweite Haut, ohne eine Möglichkeit, sich seiner zu entledigen.
Matt stellte seine Versuche ein. Es hatte keinen Zweck. Hilflos blickte er in die Höhe. Er konnte sehen, wie der Mondschein auf der Wasseroberfläche reflektiert wurde.
Die Freiheit war so nah und gleichzeitig so weit entfernt.
Die Distanz ließ sich in der Dunkelheit schlecht abschätzen, aber so weit Matt erkennen konnte, waren es noch fünfundzwanzig Meter. Vorsichtig schwamm er ein Stück empor.
Sofort zog sich
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