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032

Titel: 032 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Seiltänzerin
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hatte, den Mann umzubringen, war grenzenlos dumm gewesen. War es wieder dumm zu planen, sich daran zu beteiligen, Orin Marston zu entreißen? Musste er wirklich sein Leben riskieren, das nun, da Carys ein Teil davon war, so unermesslich viel süßer geworden war, nur um seinen Meister zu rächen?
    Es gab einen anderen Weg. Er konnte in jeder Burg in der Umgebung von Marston ein Lied über Orins abscheuliche
    Tat singen. Das würde alles sein, was er tun konnte, falls Lord William Orin nicht angriff oder dafür sorgte, dass dieser angegriffen wurde. Als er diesen Ausweg sah, hob sich seine Stimmung, doch Schamgefühl versperrte ihn ihm.
    Die mit Sir Richard befreundeten Herren waren vielleicht aus eigenen Gründen über dessen Tod betroffen, aber eigentlich war nichts Hehres daran, ein Lied über diese Untat zu singen. Sir Richard war auf Grund seiner eigenen Unfähigkeit gestorben. Er war ein guter Mensch gewesen, und er tat Telor Leid, aber die Liebe des Ritters zu Geschichten und Pergamenten war zu weit gegangen. Marston hätte nie gegen eine Armee verteidigt werden können. Es hätte ]edoch imstande sein müssen, sich so lange gegen Orins Truppe zu verteidigen, bis Sir Richard Hilfe bekommen hätte. Es war Eurion, nicht Sir Richard, der ein edelmütiges Opfer gebracht hatte, doch es würde wenig Auswirkungen haben, wenn Telor ein Lied über den Tod des Minnesängers sang, derweil Orin Marston noch besetzt hielt, es sei denn, dass dadurch den anderen vornehmen Herren bekundet wurde, wie schutzlos ein Minnesänger wirklich war. Nein, zuerst musste Orin niedergemacht werden. Dann konnte Eurion, der bei dem Versuch, seinen Herrn zu retten, sein Leben gelassen hatte, zum Helden eines heroischen Liedes gemacht werden, in dem es darum ging, wie Gottes Zorn den Mörder getroffen hatte. Es würde Eurions Rache und sein Denkmal sein, denn es würde den Namen des Mörders mit Schande beladen und den des Minnesängers ob seiner selbstlosen Loyalität mit Ruhm überhäufen, denn wenn es etwas gab, dass vornehme Herren schätzten, so war es die Treue. Mehr noch, ein solches Lied musste für alle Minnesänger von Nutzen sein, weil dadurch den Edlen die Erkenntnis in den Kopf gesetzt wurde, dass Minnesänger hochherzige, ehrbare Männer waren. Und aus diesem Grund würden andere Minnesänger froh sein, es zu kopieren, so dass es weit verbreitet wurde. Telor seufzte, stand auf und rief der Wirtin zu, er wolle zahlen. Orins Tod und dieses Lied waren, seit er Marston entronnen war, sein Vorhaben gewesen, und das Lied war immer noch die einzig wertvolle Tat, die er zu Ehren seines Meisters vollbringen konnte.
    Er rechnete nicht damit, Schwierigkeiten zu haben, Lord William anzutreffen, und er hatte keine. Sine Frage ge-nügte, um den Weg zu dem Haus beschrieben zu bekommen, in dem Lord William untergebracht war. Womit er jedoch nicht gerechnet hatte, war die Tatsache, dass er sogleich zu Lord William gerufen wurde.
    „Woher kommst du, Minnesänger?" fragte Lord William brüsk.
    „Aus Marston, mein Herr, und ich muss ..." fing Telor an.
    Eine Geste der Ungeduld hatte ihn zum Schweigen gebracht. „Zu dumm! Ich hatte gehofft, du würdest in dieser Gegend unterwegs sein, aber wenn du die ganze Zeit in Marston warst, bist du mir jetzt nicht von Nutzen. Ich werde den Befehl erteilen, dass man dich nach dem Abendessen vorlässt, damit du singen kannst, aber ..."
    „Ich bitte um Entschuldigung, weil ich dich unterbreche, mein Herr", warf Telor verzweifelt ein. „Aber ich war nicht die ganze Zeit in Marston und bin dort nur mit knapper Not dem Tod entronnen."
    „Entronnen?" wiederholte Lord William.
    „Sir Richard befiehlt nicht mehr über Marston", sagte Telor.
    „Es tut mir Leid, dass der alte Mann tot ist und sein Erbe keine Verwendung für Minnesänger hat..." Sowohl Lord Williams Miene als auch sein Ton hatten gleichgültig gewirkt, doch nach dem plötzlichen Zögern erschien ein Ausdruck in seinen Augen, von dem Telor hoffte, es handele sich um Wissbegierde.
    „Der Befehlshaber ist nicht der Erbe Sir Richards", erklärte er, ehe Lord William sich nach der Bibliothek des alten Mannes erkundigen konnte. Er wollte den weniger wichtigen Köder auswerfen, dass Orin vermutlich mit dem König in Verbindung stand, so dass Lord William diese Mutmaßung im Sinn hatte, wenn er selbst einräumen musste, dass Orin die Bücher und Pergamente vermutlich bereits vernichtet hatte. „Ein Mann namens Orin hat erst Creklade angegriffen und wurde

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