Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

032

Titel: 032 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Seiltänzerin
Vom Netzwerk:
böse darüber war, gestört worden zu sein.
    Das Ergebnis dieser lebhaften Aktivitäten war, dass Telor später einschlief, als er beabsichtigt hatte, und sich erst dann erschrocken aufsetzte, als ein Sonnenstrahl, der durch eine Spalte im schlecht schließenden Fensterladen drang, über den Fußboden fiel und seine Lider getroffen hatte. Mit dem ersten überraschten Blick durch den Raum nahm er Deri wahr, der das Wachs von den Haltern kratzte, in denen die Kerzen heruntergebrannt waren. Deri wandte ihm den Rücken zu, und er wusste nicht, ob der Freund bemerkt hatte, dass er sich aufgesetzt hatte, oder ob er ihm nur einige Augenblicke der Ungestörtheit mit Carys bewilligen wolle.
    Telor wagte jedoch nicht, dessen Angebot anzunehmen. Er befürchtete, dass er, wenn er Carys jetzt auch nur ein einziges Mal ansah, nie den Mut aufbringen werde, sich der Möglichkeit zu stellen, sie zu verlieren. Es hieß, im Himmel gäbe es keine Liebe, außer der Gottes, und alles menschliche Verlangen sei erloschen. In diesem Augenblick mochte Telor das nicht glauben. Er war überzeugt, dass das Verlangen, das er für Caiys empfand, ihn, falls er starb und vom Himmel auf die Erde hinunterblickte und Carys mit einem anderen Mann sah, in alle Ewigkeit quälen werde. Eine Aufwallung von Wut überkam ihn, die ihn wie ein körperlicher Schmerz traf. Er bettete den Kopf auf die angezogenen Knie und kämpfte gegen den Drang an, sich umzudrehen und seine unschuldige Geliebte zu töten, bis sein Sinn für Humor die Oberhand gewann. Er hielt sich vor, während er behutsam von den Strohsäcken glitt und sich erhob, es sei viel wahrscheinlicher, dass ein Mensch, der solche Gedanken hatte, in der tiefsten Hölle landen würde. Das verlegene Lächeln um seine Lippen wurde schiefer. Es wurde versichert, dass man in der Hölle jeden Schmerz und jede Sehnsucht, die zur Erhöhung der teuflischen Qualen beitragen konnte, behalten werde. Also waren die Befürchtungen, im Jenseits zu leiden, vielleicht nicht weit von der Wahrheit entfernt.
    „Deine Sachen sind hier", sagte Deri leise und wies auf einen säuberlich zusammengelegten Haufen von Kleidungsstücken, der auf einem Schemel lag.
    „Willst du Carys wecken?"
    „Gott, nein!" Telor schüttelte den Kopf über Deris überraschte Miene und fing an, sich anzuziehen. Dabei erklärte er: „Ich hätte nicht die Kraft aufzubrechen, wenn ich mich jetzt von ihr verabschieden würde. Wirst du warten und mit ihr frühstücken und versuchen, ihr klar zu machen, dass es kein Mangel an Liebe war, der mich bewogen hat, sie
    zu verlassen? Ich bin schrecklich verspätet. Ich hätte im Morgengrauen in Lord Williams Quartier sein und um eine Audienz bei ihm nachsuchen müssen."
    „Ich habe schon gefrühstückt", erwiderte Deri und beschäftigte sich mit dem letzten Kerzenhalter. „Aber ich werde Caiys gern erklären, dass du noch richtig im Kopf bist, falls sie Zweifel daran haben sollte, auch wenn mit deinem Herzen etwas nicht stimmt."
    „Gott segne dich, Deri. Wie sehr ich dich liebe!" rief Telor aus und floh.

17. KAPITEL
    Aus Angst, Carys könne wach werden, hatte Telor seine Sachen so schnell wie möglich angezogen, seine Laute an sich gerissen und war, die Hälfte der Verschnürungen noch offen, vom Dachboden geflohen. Dann rannte er zur Hauptstraße, lief sie hinauf und verlangsamte die Schritte erst, nachdem er gemerkt hatte, dass die Leute ihn misstrauisch anschauten. Einige Straßen weiter nahm er Biergeruch wahr, und zweigte zur Schenke ab, wo er sich Brot, Käse und Bier bestellte, weniger weil er hungrig war, sondern um einen Ort zu haben, wo er den Abort benutzen - er hatte nicht einmal deswegen unterwegs angehalten - und seine Sachen in Ordnung bringen konnte. Derweil die Wirtin sein Essen und sein Getränk brachte, reinigte er sich auf die walisische Art, die Eurion ihn gelehrt hatte, die Zähne mit einem Stück rauen Wolltuchs. Nicht jedermann legte solchen Wert auf diese Reinlichkeit, doch ein Barde konnte es sich nicht leisten, unangenehm zu riechen.
    Während er sein Brot und seinen Käse aß, versuchte Telor sich zu sammeln, weil der Verstand ihn in eine Richtung, das Herz ihn jedoch in eine andere zog. Von dem Moment an, da er Orins verächtliche Zurückweisung von Eurions Angebot zu singen und dessen beiläufiges Geständnis, die beiden sanften, harmlosen alten Männer ermordet zu haben, gehört hatte, war er entschlossen gewesen, Orin zu vernichten.
    Der Wutausbruch, der ihn veranlasst

Weitere Kostenlose Bücher