0321 - Zwischenfall im Tiger-Sektor
Metax störte sich nicht daran. Seiner Meinung nach war es für einen Raumsoldaten eine Zumutung, tagaus tagein die sterile, hundertfach überprüfte und geschmacklose Atmosphäre des Schiffes zu atmen. Der Rauch eines guten Zigarillos konnte nur verbessernd wirken. „Luftveredlung" pflegte er dazu zu sagen.
Als er das Zigarillo halb aufgeraucht hatte, meldete sich die Funkzentrale mit einer wichtigen Nachricht von der CREST IV.
Cyclone Metax hörte sich die Meldung über die Flucht der fünf Perlian-Raumschiffe und ihren Kurs geduldig an. Dann sagte er: „Senden Sie den Text wie befohlen, Funker."
„Sollten wir nicht Alarm geben?" fragte der Astrogator besorgt.
Metax blies ihm einige Rauchringe ins Gesicht und meinte gemütlich: „Begeben Sie sich bitte zur Bordpositronik und errechnen Sie den Wahrscheinlichkeitsgrad dafür, daß die Perlians ausgerechnet hier auftauchen - und lassen Sie erhöhte Alarmbereitschaft herstellen, bis Sie damit fertig sind"" Er lehnte sich zurück.
Es würde überhaupt nichts geschehen. Die Perlians befanden sich auf der Flucht, wie aus dem Funkspruch der CREST IV eindeutig hervorgegangen war; ein flüchtender Raumschiffskommandant aber versuchte normalerweise stets, eine möglichst große Entfernung zwischen sich und seine Verfolger zu bringen - und die 320 Lichtjahre zwischen Keegans System und Tiger-I stellten sowohl vom Standpunkt der Perlians als auch ihrer Verfolger keine beachtenswerte Entfernung dar.
Aber obwohl der Kommandant wußte, daß seine Gedankengänge der Lage absolut angemessen waren, empfand er nach einiger Zeit eine unerklärliche Unruhe.
Er rief über Interkom die Feuerleitzentrale an und atmete auf, als der Bildschirm das Gesicht von Leutnant Mana Maraun zeigte. Maraun war der tüchtigste Feuerleitoffizier, den Metax kannte.
„Hier Leutnant Maraun, Sir!" drang die ungewöhnlich laute Stimme des Venusgeborenen aus dem Empfänger. „Auf Feuerleitstand alles in Ordnung, Sir!"
„Danke, Leutnant", sagte der Kommandant. „Halten Sie die Augen offen, falls etwas geschehen sollte."
Mana Maraun verzog das breite Gesicht. Seine helle Haut wirkte wegen des bläulichen Untertons immer etwas krankhaft, doch Metax wußte daß es nur die Besonderheiten Marauns venusischer Heimat gewesen waren, die ihn und die anderen Kolonisten von Generation zu Generation immer mehr veränderten. Zwar betraf das nur Kleinigkeiten, aber schon ein Venusier der zweiten Generation konnte nicht mehr als Erdmensch bezeichnet werden.
„Meinen Sie, daß etwas geschehen wird, Sir?" fragte Maraun in der üblichen Schwerfälligkeit.
„Nein, Leutnant. Aber nach mir richten sich die Ereignisse außerhalb des Schiffes leider nicht."
Mana zupfte an seinem farblosen Backenbart.
„Ah...! Ja, das wird wohl so sein Sir."
Er hielt den Kopf schief und blickte seine Kontrollen an.
„Bis jetzt..."
Cyclone Metax sah, wie der Venusier nach Luft schnappte. Er erinnerte ihn in diesem Augenblick an einen Halbertrunkenen.
Im nächsten Augenblick aber ging eine merkbare Wandlung mit dem Feuerleitoffizier vor.
Seine breiten Pranken legten sich auf die „Feuerorgel", und ein lauerndes Funkeln trat in seine Augen.
„Unregelmäßigkeit im Bereich der Energieortung, Sir!" erscholl die Stentorstimme Marauns mit der Lautstärke einer Fanfare. „Dreieinhalb Grad acht Minuten, vier Sekunden Grünsektor Sonnenscheibe A-Komponente!"
Bevor der Kommandant die Meldung geistig verarbeitet hatte, ergänzte er: „Geben Sie Alarm, Sir! Das ist keine Sonneneruption!"
Zögernd senkte sich Metax' Hand auf die Alarmtaste.
Plötzlich meldete sich die Ortungszentrale.
„Fünf noch undefinierbare Fremdobjekte in Grünsektor Sonnenscheibe A-Komponente, dreieinhalb Grad Abweichung, acht Minuten, vier Sekunden!"
Major Cyclone Metax begriff, daß seine Ahnung ihn nicht getrogen hatte. Er schlug die Alarmtaste nieder und drückte gleichzeitig auf den Knopf für die Rundrufanlage.
„Alle Mann auf Gefechtsstationen!"
Johosh Wassermann stürmte in die Zentrale, als wären sämtliche Geister der Unterwelt hinter ihm her.
Er hatte auf seinem Weg hierher nicht nur das abrupte Hochjagen der Triebwerksaggregate gehört, sondern vor allem auch das schrille Kreischen des unvorschriftsmäßig hochgeschalteten HÜ-Schirm-Kraftwerks.
Das sagte ihm genug.
Ohne ein Wort zu verlieren, warf er sich in seinen Sessel und übernahm den Teil der Arbeit, den bisher Major Metax für ihn mit ausgeführt hatte.
„Ausweichkurs!"
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