033 - Der Frosch mit der Maske
bluteten. Wieder läutete er mit der Wut der Verzweiflung. Dann öffnete sich ein kleines Gitter, und das finstere Gesicht eines Wärters erschien.
»Sie dürfen nicht herein«, sagte er. »Wissen Sie nicht, was hier geschieht?«
»Ministerium des Innern!« keuchte Dick heiser. »Botschaft vom Ministerium des Innern. Ich habe gerade den Urteilsaufschub bekommen!«
Das Gittertürchen schloß sich, und nach einer Ewigkeit wurde der Schlüssel umgedreht und das schwere Tor auf getan.
»Ich bin Hauptmann Gordon von der Staatsanwaltschaft«, sagte Dick. »Und ich habe einen Aufschub für Jim Carter.«
Der Wärter schüttelte den Kopf. »Die Hinrichtung hat vor fünf Minuten stattgefunden«, sagte er.
»Aber die Kirchturmuhr«, keuchte Dick.
»Die Kirchturmuhr geht vier Minuten nach«, sagte der Wärter. »Ich fürchte, Carter ist tot.«
38.
Ray Bennett erwachte nach einem erquickenden Schlaf und setzte sich im Bett auf. Einer der Wärter, die die ganze Nacht bei ihm gewacht hatten, stand auf und kam zu ihm.
»Wollen Sie Ihre Kleider haben, Carter? Der Direktor meint, es würde Ihnen nichts daran liegen, die alten Sachen zu tragen.«
»Er hat recht«, sagte Ray dankbar. »Dieser Anzug sieht ganz gut aus«, sagte er, als er die Hose anzog.
Der Wärter hustete. »Ja, es ist ein guter Anzug«, stimmte er bei. Mehr sagte er nicht, aber etwas in seinem Gehaben verriet die Wahrheit. Es waren Kleider, in denen schon ein anderer Mann gehängt worden war. Und doch zitterten Rays Hände nicht, als er sie anlegte. Um sechs Uhr brachte man ihm das Frühstück.
Seine Blicke schweiften von neuem zur Schreibmappe, aber er streckte die Hand nicht nach ihr aus. Der Kaplan kam, ein ruhiger Mann, Kraft in jeder Linie seines beweglichen Antlitzes. Sie plauderten eine Weile, und dann riet der Wärter, Ray möge sich in dem gepflasterten Hofraum ein wenig Bewegung machen. Ray freute sich darüber, er wollte noch einmal den Blauen Himmel sehen. Dennoch wußte er, daß dies keine selbstlose Güte war, und erriet auch wohl, warum dieser Vorzug ihm gewährt wurde, als er Arm in Arm mit dem Priester im Hofe hin und her ging. Man bereitete die Exekutionszelle neben der seinen vor und wünschte seine Gefühle zu schonen. Eine halbe Stunde später war er wieder in seiner Zelle.
»Wollen Sie noch ein Geständnis machen, Carter? Heißen Sie überhaupt so?«
»Nein, Herr«, sagte er ruhig, »aber es tut nichts zur Sache.«
»Haben Sie den Mann getötet?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Ray. »Ich wünschte ihn zu töten, daher ist es möglich, daß ich es getan habe.«
Zehn Minuten vor acht kamen der Direktor und der Sheriff in die Zelle, um ihm die Hand zu schütteln. Die Uhr in der Gefängnishalle ging langsam, aber unerbittlich vorwärts. Durch die offene Tür der Zelle konnte Ray sie sehen, und der Direktor, der dies bemerkte, schloß sie sanft, denn es fehlte noch eine Minute auf acht, und sie mußte sich bald wieder öffnen. Ray sah, wie die Klinke von außen niedergedrückt wurde, und eine Sekunde lang verließ ihn die Fassung. Er wendete sich ab, um den Mann, der jetzt eintreten mußte, nicht zu sehen. Er fühlte seine Hände von rückwärts zusammengebunden.
»Möge mir Gott vergeben! Möge mir Gott vergeben!« murmelte jemand hinter ihm, und beim Klang dieser Stimme wendete Ray sich mit einem Ruck um und sah dem Henker ins Gesicht.
Der Henker war John Bennett.
Vater und Sohn, Henker und Verurteilter, standen einander gegenüber. Mit fast unhörbarer Stimme hauchte John Bennett das Wort: »Ray!«
Ray nickte. Es war seltsam, daß in diesem Moment seine Gedanken zu den geheimnisvollen Fahrten seines Vaters zurückstreiften. Er entsann sich des Hasses, den dieser gegen seinen Beruf gehegt hatte, in den ihn Umstände gedrängt hatten.
»Ray!« hauchte der Mann nochmals.
»Kennen Sie diesen Mann?« Es war der Direktor, der so fragte, und seine Stimme zitterte vor Erregung.
John Bennett wendete sich ihm zu.
»Er ist mein Sohn«, sagte er und zog an den Fesseln, um sie zu lösen.
»Bennett, Sie müssen das Urteil vollstrecken!« Nun klang die Stimme fest und schrecklich.
»Vollstrecken? Meinen eigenen Sohn umbringen? Sind Sie wahnsinnig? Halten Sie mich für wahnsinnig?« Er schloß Ray in die Arme und drückte sein Gesicht fest gegen dessen bärtige Wange.
»Mein Junge! Mein Junge!« sagte er und strich ihm das Haar zurück, wie er es in Rays Kindheit getan hatte. Dann riß er sich plötzlich zusammen, stieß den Jungen
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