033 - Die Frau aus Grab Nr. 13
geschickt?« wiederholte der andere verständnislos.
»War es dein Vater?« bohrte Dieter weiter. »Sollst du uns drohen? Oder hat dich einer von denen geschickt, deren Kinder verschwunden sind?«
»Nein«, meinte Lorenz grinsend. »Um die mache ich einen Bogen. Sind doch alle meschugge. Glauben, du steckst mit deiner Mutter unter einer Decke, ist doch Blödsinn. Habe selbst gesehen, daß sie allein war, als sie die Kinder entführte.«
»Was sagst du da?« Dieter packte den Debilen am Kragen und stieß ihn gegen die Wand. »Wage es nicht noch einmal, auf diese Weise den Namen meiner Mutter zu beschmutzen, du Hund!«
»Au, du tust mir weh!« jammerte Lorenz. Er dachte nicht an Gegenwehr, obwohl er kräftig wie ein Stier war. »Ist bestimmt wahr, was ich sage, Dieter. Hab's doch gesehen, aber den anderen nicht verraten.«
»Was hast du gesehen?«
»Wie deine Mutter vom Friedhof kam. Bin bei den Kindern gewesen. Hab nämlich gewußt, daß sie sich um Mitternacht treffen wollten. Da war deine Mutter da und nahm alle Kinder mit. Sind lauter Knirpse. Lausebengels. Wollte ihnen folgen, denn ich hab nicht gewollt, daß deine Mutter ihnen was antut. Aber dann waren sie weg. Ich weiß wirklich nicht, ob deine Mutter die Kinder gefressen hat. Das hab nicht ich gesagt.«
Dieter schlug seine Faust in Lorenz' Gesicht und spürte unsägliche Befriedigung, als dessen Unterlippe platzte und Blut hervorsickerte. Im nächsten Augenblick, als Lorenz zu heulen begann, tat er ihm leid.
»Wer hat dir aufgetragen, mir dieses Märchen zu erzählen?
Heraus mit der Sprache, oder ich schlage dich zusammen! Wer hat dich geschickt?«
»Ich!«
Dieter wirbelte herum und starrte auf den Mann, der in der Tür aufgetaucht war. Er war groß und schlank, hatte einen dichten Schnurrbart und grüne, stechende Augen. Dieter erkannte sofort den Ausländer, der Türkische Pfunde eingewechselt hatte und dessen Personenbeschreibung Manfred, der Gendarm, ihm gegeben hatte.
»Wer sind Sie?«
»Ich heiße Dorian Hunter«, sagte der Unbekannte in gutem Hochdeutsch.
»Dann sind Sie gar kein Türke?« Dieter kam sich ziemlich blöd vor, als er das sagte, aber ihm fiel im Moment nichts anderes ein.
Der Fremde, der sich Dorian Hunter nannte, beugte sich fürsorglich zu Lorenz vor, betupfte seine Platzwunde mit einem Papiertaschentuch und sprach beruhigend auf ihn ein.
Lorenz trocknete sich die Tränen ab und wischte sich den Speichel vom Mund. Er ließ sich widerstandslos hinausführen. Der Fremde sagte ihm in der Diele irgend etwas, das Dieter nicht verstehen konnte, kam dann in die Stube zurück und schloß die Tür hinter sich.
»Was wollen Sie?« fragte Dieter barsch.
Er nahm eine Player's, die ihm der andere anbot, und zündete sie sich selbst an.
»Das, was Lorenz über Ihre Mutter sagte, entspricht der Wahrheit«, sagte Dorian Hunter. »Ich war dabei und habe es beobachtet, als sie aus dem Grab stieg und den beiden Leichenfledderern das Leben aussaugte. Sie täten gut daran, sich mit diesen Tatsachen abzufinden.«
»Sie sind ja noch verrückter als die Leute in Striga«, stieß Dieter hervor. »Was soll dieses Geschwätz?«
»Gut, vorerst kein Wort mehr darüber. Es wäre angebracht, mich bei Ihnen zu entschuldigen, weil ich mich in dieses Haus eingeschlichen habe. Aber vielleicht haben Sie gehört, daß man mich der Kindesentführung verdächtigt. Es wäre zu zeitraubend, den Gendarmen zu erklären, daß ich nichts damit zu tun habe. Deshalb habe ich hier Unterschlupf gesucht. Es war kein Zufall, daß ich mir das Haus Ihrer Mutter ausgesucht habe.«
»Ich brauche einen Drink«, sagte Dieter.
Der Mann machte eigentlich einen recht normalen Eindruck. Nur seine Augen waren Dieter unheimlich. Wahrscheinlich war er wirklich ein Ganove – womöglich sogar der Kidnapper. Nun, es war in jedem Fall besser, gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
Als Dieter eine Flasche Antique Bourbon Whiskey auf den Tisch stellte, lächelte der andere.
»Das ist genau meine Marke.«
Sie tranken.
Dann fragte Dieter vorsichtig: »Wollen Sie nur, daß ich Ihnen Unterschlupf gewähre, oder verlangen Sie mehr von mir?«
»Mehr. Ich möchte, daß Sie mit mir zusammenarbeiten.« Dorian holte aus seiner Tasche ein abgegriffenes, in schwarzes Leder gebundenes Büchlein hervor und überreichte es Dieter. »Ehe ich es vergesse, da haben Sie das Tagebuch Ihrer Mutter. Ich war so frei, es durchzulesen. Sie sollten das auch tun.«
Dieter nahm das Tagebuch an sich und
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