033 - Die Frau aus Grab Nr. 13
wie zurückgebliebene Hinterwäldler vor, die abergläubisch alles Fremde hassen.«
»Die Bewohner von Striga waren schon immer abergläubisch«, erklärte der Gendarm. »Ich bin es nicht – und doch scheint es mir ein seltsamer Zufall zu sein, daß du ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt zurückkommst. Nach sieben Jahren!«
»Ich habe einen Brief von einem Anwalt aus Wien bekommen. Sein Name ist Skarabäus Toth. Kennst du ihn?«
»Woher denn?«
»Er hat mich wegen einer Erbschaft zu sich bestellt. Genaues stand nicht im Brief. Ich kam hierher, um Erkundigungen einzuholen. Vielleicht kann mir der Bürgermeister helfen. Morgen früh werden wir nach Wien weiterfahren.«
»Trotzdem ist es ein seltsamer Zufall«, meinte der Gendarm.
»Willst du mir nicht sagen, was die Leute gegen mich haben?«
»Es ist … schwer zu erklären.« Der junge Gendarm seufzte. »Letzte Nacht war in Striga der Teufel los. Die Leute meinen das im wahrsten Sinne des Wortes, aber ich … In der Nacht verschwanden fünf Kinder. Niemand weiß, wie. Zuletzt wurden sie gesehen, wie sie nach Einbruch der Dunkelheit an einem Schneemann bauten. Vielleicht haben sie sich verabredet und sind in der Nacht fortgeschlichen. Um Mitternacht hörte man vom Friedhof her ein unheimliches Geheul. Fast alle haben es gehört, aber niemand hat sich hinausgewagt.«
Dieter wich Elkes starrem Blick aus. Ihr Traum …
»Alles schön und gut, aber was hat das mit mir zu tun?«
Der Gendarm schwieg, so als suchte er nach den richtigen Worten. »Es wäre besser, ihr würdet die Nacht über bei uns auf dem Gendarmerieposten bleiben«, sagte er schließlich. »Die Leute sind in ihrer Erregung unberechenbar. Ich kann für nichts garantieren.«
»Wir leben doch nicht im Mittelalter«, sagte Dieter aufgebracht. »Eigentlich habe ich daran gedacht, in unserem Haus zu bleiben. Dagegen kann doch niemand etwas einwenden, oder? Ich wollte vom Bürgermeister den Schlüssel haben.«
»Der hat ihn gar nicht, sondern Pfarrer Furtwanger.« Das Gesicht des Freundes erhellte sich plötzlich. »Ja, es wäre am besten, du würdest ihn aufsuchen. Er kann dir das alles viel besser erklären. Ich bringe dich zu ihm.«
Dieter merkte, daß sein Jugendfreund froh war, die Verantwortung abwälzen zu können, und drang nicht weiter in ihn. Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her.
»Ist es nicht möglich, daß sich die Kinder im Wald verlaufen haben? Habt ihr schon nach ihnen gesucht?«
»Ja, aber es weist alles auf eine Entführung hin. Wir haben sogar schon einen Verdächtigen. Heute morgen kam ein Fremder in die Sparkasse. Es muß ein Türke sein, obwohl er fließend Deutsch spricht. Er wechselte für viertausend Schilling türkische Pfund ein. Seitdem fehlt von ihm jede Spur. Wir suchen ihn. Die Kassiererin hat eine gute Personenbeschreibung abgegeben. Sie schilderte ihn als sehr groß, etwa ein Meter neunzig. Er hat ein schmales südländisches Gesicht mit grünen, stechenden Augen und einem dichten Schnauzbart. Wenn du ihn siehst, dann melde es mir. Es könnte sein, daß er mit der Entführung der Kinder etwas zu tun hat – und auch mit dem anderen.«
»Womit noch?«
»Wir sind da«, sagte der Gendarm, als sie die kleine Dorfkirche erreichten. »Pfarrer Furtwanger wird dir alles erklären.«
Hinter dem Guckloch des Eingangs war ein Auge aufgetaucht. Das Guckloch klappte zu, und dann wurde die Tür geöffnet. Ein junger Mann in einem schwarzen Anzug mit weißem Kragen stand darin.
»Guten Abend!« sagte er in Elkes Richtung, und an Dieter gewandt: »Ich habe dich erwartet. Kommt herein!«
»Teddy!« rief Dieter überrascht, als er den Freund erkannte, mit dem zusammen er früher Ministrant gewesen war. »Bist du jetzt etwa Küster?«
Thaddäus Schnabl nickte würdevoll. Er hielt ihnen die Tür auf, schloß sie leise hinter ihnen und ging dann einen schwach beleuchteten Korridor zu einer Tür voran.
»Mein Büro«, sagte er, als sie eintraten. »Nehmt bitte Platz!«
Es sah hier nicht viel anders aus als in irgendeinem herkömmlichen Amtsraum, nur hingen an den Wänden statt der Politikerporträts Heiligenbilder. In der einen Ecke stand ein Tabernakel, und es gab auch einen Betstuhl. Der Schreibtisch war mit einer Fülle von Schriftstücken überladen, in den offenen Karteischränken herrschte eine heillose Unordnung.
»Entschuldigt das Durcheinander, aber ich bin gerade dabei, die Formulare für die Kirchensteuer zu überprüfen«, sagte der Küster. Seine
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