0333 - Das Meer der Träume
Minuten explodieren. Wenn sie es bis dahin nicht geschafft hatten, das Schiff zu verlassen, brauchten sie sich um nichts mehr Sorgen zu machen.
Der Gang mündete auf einen Aufzugsschacht. Der kürzeste Weg zu den Steuerbordhangars begann drei Decks tiefer. Redhorse schob den bewußtlosen Holl Vincent in den Schacht und gab ihm einen kräftigen Stoß nach unten. Dann sprang er hinterdrein. Kurz vor dem Ausstieg holte er den langsam fallenden Körper ein und zog ihn zu sich heran. Er schaffte es gerade noch, sich durch die Ausstiegsöffnung zu schwingen, bevor Vincent mit seinem Schwung ihn weiter in die Tiefe riß. Frizz Eisner war dicht hinter ihm.
Der Teil des Schiffes, in dem sie sich jetzt befanden, war ebenfalls vom letzten Treffer in Mitleidenschaft gezogen worden. An einigen Stellen der Wände zeigten sich verästelte Risse, und es gab weite Flächen, die intensive Luminiszenz ausstrahlten. Frizz schien zu verstehen, worum es ging.
Sie bewegten Holl Vincents Körper jetzt rascher und mit weniger Rücksichtnahme. Verschiedene Male stieß er mit dem Kopf voran gegen eine der leuchtenden Stellen. Schaden würde ihm daraus keiner entstehen. Gegen die Radioaktivität schützte ihn sein Anzug und die glühenden Stellen waren vorläufig noch so kühl wie der Rest der Wand.
Sie näherten sich jetzt den Hangarschleusen. Die Wände zu beiden Seiten wichen zurück und öffneten sich auf eine Art Platz, in dessen jenseitiger Wand die Zugänge zu den Schleusen lagen.
Redhorse war beruhigt, daß er bis jetzt noch keinen seiner Leute gefunden hatte, der bei dem Rückzug aus dem Meßraum auf der Strecke geblieben war. In gleichem Maße erschreckte ihn jedoch der Anblick der Wand, hinter der die Hangars lagen.
Die ganze Wand erstrahlte in bunten Farben, und stellenweise war die Intensität des Leuchtens schon so stark geworden, daß die Farbtöne sich zu bläulichem Weiß vermischten. Die Wand war im Begriff, ins Endstadium des Kernbrands einzutreten. Noch eine oder zwei Minuten, und sie würde in höllischer Glut aufleuchten und verdampfen.
Redhorse ließ den bewußtlosen Vincent fahren.
„Achte auf ihn!" schrie er Frizz Eisner an.
Er riß den Blaster aus dem Gürtel und schoß auf das Schott, das ihnen am nächsten lag. Die Salve entlud sich geräuschlos im Vakuum des todwunden Schiffes. Auf dem Schott bildete sich ein gelber, blasiger Fleck, der sich rasch verbreiterte. Eisner balancierte Holl Vincent auf die langsam wachsende Öffnung zu. Die Wand strahlte jetzt fast so hell, wie der gebündelte Energiestrahl, der das Schott bearbeitete. Die Farben verblichen. Kaltes, bläuliches Weiß breitete sich aus.
„Du schiebst Holl durch die Öffnung, sobald ich es dir sage", keuchte Redhorse. „Sieh zu, daß du ihn so schnell wie möglich in eines der Fahrzeuge bringst. Laß ablegen, sobald du an Bord bist."
„Und was wird aus dir?" schrie Eisner zurück.
„Kümmere dich nicht um mich. Sich zu, daß du Holl aus der Gefahrenzone bringst!" Ein kreisrundes Loch von etwa anderthalb Metern Durchmesser gähnte jetzt inmitten des glühenden Schotts. Dahinter schien es dunkel zu sein - ein Zeichen, daß der Hangar vom Kernbrand noch nicht sehr stark befallen war. „Los jetzt!" schrie Redhorse.
Mit einem wilden Schwung schob Eisner den schlaffen Körper des Bewußtlosen auf die Öffnung zu.
Mit geschickten Bewegungen dirigierte er ihn so durch das Loch, daß er die glühenden Ränder nicht berührte. Dann schwang er sich selbst in den Schleusenraum und verschwand aus Don Redhorses Blickfeld.
In diesem Augenblick erreichte der Energiegehalt der glühenden Wand den kritischen Punkt.
Ruckartig nahm die Intensität des Leuchtens zu. Redhorse mußte die Augen zeitweise schließen, um nicht geblendet zu werden. Leuchtende Schwaden lösten sich von der Wand und trieben ziellos davon, als die Materie zu verdampfen begann. Die Temperatur der Wand stieg sprunghaft. Redhorse konnte die mörderische Hitze durch die isolierenden Schichten seines Anzugs hindurch fühlen. Er wußte, daß er jetzt handeln mußte. wenn er den Wettlauf mit der Zeit noch gewinnen wollte. Noch zwanzig oder dreißig Sekunden, und das ganze Schiff war eine brodelnde Hölle aus Millionen Grad heißem Plasma.
Er stürzte vorwärts. In der ungeheuren Lichtflut war die Öffnung, die er geschossen hatte, nur noch ein winziger, dunkler Fleck, fast verhüllt von glühenden Gasmassen. Redhorse berührte ein letztes Mal den Boden und stieß sich mit aller Kraft ab.
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