0335 - Zentaurenfluch
Zamorra. »Wer immer auch ›sie‹ sind. Dieses rotschuppige Echsenwesen geht mir nicht aus dem Kopf.«
Château Montagne war unverändert wie immer. Die magische Abschirmung hielt feindliche Einflüsse fern. Aber irgendwie hatte Zamorra in diesem Moment das Gefühl, daß das vielleicht falsch war. Daß sie ihn auch von dem Kontakt zum Unbekannten abschirmte.
»Vielleicht solltest du jetzt doch versuchen, etwas zu erkennen«, schlug Nicole vor. »Jetzt kann kein Flugzeug mehr in Gefahr geraten, wenn du schlafende Löwen weckst. Und wenn du selbst es nicht sein solltest - ich bin neugierig. Ich will wissen, wer dahintersteckt und wahrscheinlich auch für den Brand des Flugzeugsmotors verantwortlich ist. Solche Zufälle gibt’s nicht.«
Zamorra nickte.
»Einverstanden«, sagte er. »Ich probiere es aus. Aber vielleicht wäre es gut, wenn du dabei bist. Möglicherweise muß ich auf deine Hilfe zurückgreifen.«
Nicole besaß schwache Para-Fähigkeiten, die die des Professors durchaus ergänzen konnten. Gemeinsam gingen sie nach unten in jenen großen Raum, den Zamorra für magische Experimente eingerichtet hatte. Auch hierbei war die Abschirmung des Châteaus von Vorteil. Schwarzmagische negative Kräfte konnten von hier aus erfaßt werden, aber ihrerseits nicht nach Zamorra greifen. Die Abschirmung war »semipermeabel«, also nach einer Richtung durchlässig, aus der anderen dagegen absolut dicht.
Dennoch sicherte Zamorra sich stets noch einmal besonders ab, wenn er magische Handlungen durchführte. Wenn er mit Hilfe seines Amuletts und seiner Para-Kräfte geistig nach einer dämonischen Wesenheit oder einem von dämonischen Kräften hervorgerufenen Ereignis »tastete«, wollte er selbst nicht einmal bemerkt werden, um die fremde Macht in Sicherheit zu wiegen.
Manche Dämonen waren stark genug, den geistig-magischen »Radarstrahl« zurückzuverfolgen, sobald sie sich beobachtet fühlten, und daraus zu erkennen, mit wem sie es zu tun hatten. Und auch wenn sie Zamorra innerhalb der Abschirmungen des Châteaus nichts anhaben konnten, wußten sie dann, wer ihr Gegner war und konnten entsprechende Fallen vorbereiten.
Auf dem Boden des Raumes war an einer Stelle mit präparierter, aufgeladener Farbe ein dauerhafter Drudenfuß im Schutzkreis aufgemalt. Zamorra umgab ihn mit Kreidesymbolen, die dem jeweiligen Zweck angepaßt waren. Er zeichnete die Symbole frei aus dem Kopf. Sorgfältig fügte er eines ans andere. Nicole, in Sachen Magie kaum weniger bewandert als er, fungierte als Qualitätskontrolle und gab acht, daß auch Flüchtigkeitsfehler nicht unbemerkt blieben.
Schließlich war Zamorra fertig.
Er trat in den Schutzkreis und ließ sich in der Mitte des fünfzackigen Innensterns im Schneidersitz nieder. Nicole setzte sich ihm gegenüber so, daß sie leicht vorgebeugt mit ausgestreckten Armen seine Schläfen berühren konnte. Zamorra selbst umfaßte mit beiden Händen Merlins Stern, das zauberkräftige Amulett.
Er versetzte sich und Nicole mit einem psychischen Schaltwort in Halbtrance. Zu dieser Methode der Selbstversenkung war er schon vor langer Zeit übergegangen. Er ersparte sich damit zeitraubende meditative Beruhigungsversuche. Manchmal konnte eine Sekunde Zeitersparnis lebensrettend wirken. Das war zwar hier mit ziemlicher Sicherheit nicht der Fall, aber Zamorra pflegte stets den einfachsten Weg zu gehen. Und der führte über die Autosuggestion.
Er lenkte seine Gedanken in die gewünschte Richtung, konzentrierte sich auf das Bild, das er im Flugzeug gesehen hatte. Die Felsenlandschaft, der Zentaur, die rotgeschuppte Drachenechse… Zamorras Gedanken wurden drängend, fordernd. Er wollte das Bild wieder sehen, nicht in seiner Vorstellung, sondern so intensiv, wie er es in der Flugzeug-Vision gesehen hatte.
Er spürte, wie von Nicole pulsierende Kraft ausging, die seine Gedanken verstärkten. Das Amulett selbst rührte sich nicht. Es ließ sich nicht aktivieren, blieb eine schimmernde silbrige Scheibe, handtellergroß und mit Schriftzeichen versehen.
Zamorra war noch soweit »wach«, daß er Handlungen vornehmen konnte. Das minderte zwar etwas die Konzentration, aber es störte ihn in diesem Fall nicht weiter. Da auf die gedanklichen Vorstellungen hin nichts geschah, griff er zum Radikalmittel und versuchte es durch Verschieben zweier Hieroglyphen zu aktivieren. Sie waren leicht erhaben gearbeitet und ließen sich normalerweise um Millimeter in ihrer Position verschieben wie Schalter, die danach
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