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0335 - Zentaurenfluch

0335 - Zentaurenfluch

Titel: 0335 - Zentaurenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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daß du uns morgen früh frische Brötchen vom Bäcker holen darfst, während ich Kaffee koche und Moni den Kleister neu anrührt. Und dann geht’s mit der Arbeit direkt weiter. Vielleicht können wir morgen auch noch die Gardinen aufhängen und die Schaumstoffplatten unter die Decke kleben, wenn wir uns ein wenig ’ranhalten. Nur heute abend geht nichts mehr. Nach Moni bin ich unter der Dusche. Das zur Reihenfolge.«
    »Ich werde wohl überhaupt nicht mehr gefragt, wie?« lächelte Tony. Er war immer noch etwas verwirrt von der Direktheit der beiden Mädchen.
    »Nein. Wozu auch?« meinte Uschi. »Komm, wir räumen auf, damit es drüben etwas manierlicher aussieht.«
    Monica ging ins Bad hinüber. Es war klein, aber das störte sie nicht. Sie streifte sich die durchgeschwitzte Kleidung vom Leib und entdeckte Tony Cramerts Waschmaschine. Sie war angeschlossen; immerhin wohnte er bereits vier Tage in der jetzt schon zur Hälfte tapezierten Wohnung. Monica zuckte mit den Schultern und warf bis auf die Jeans alles in die Maschine. Waschpulver hinterher, Einschalten per Schalterdrehung. Der Apparat begann lautstark zu arbeiten. Über Nacht würde die Kleidung Zeit haben zum Trocknen, und daß sie dann morgen früh zerknittert und ungebügelt war, machte nichts; es waren ohnehin Sachen, die Monica nur zum Arbeiten trug und bei denen es nicht so drauf ankam.
    Aus dem frisch tapezierten Schlafzimmerchen hörte sie Möbelrucken. Uschi und Tony waren kräftig am Werk. Monica duschte, bediente sich an Tonys Frotteetüchern und wickelte sich schließlich eines malerisch um die Hüften. So bekleidet, verließ sie das Bad wieder.
    »Du kannst jetzt«, rief sie Uschi zu.
    Tony pfiff durch die Zähne. Er war überrascht. Uschi schob sich an ihrer Schwester vorbei ins Bad. »He«, protestierte sie. »Konntest du mit der Maschine nicht auf mich warten?«
    »Nein«, erklärte Monica trocken. »Sag mal, Tony, hast du noch eine Flasche Wein im Keller?«
    »Woher sollte ich? Ich bin ein armer Bettelstudent. Aber mit Dosenbier aus dem Kühlschrank kann ich dir dienen.«
    »Das trinkst du selbst.« Sie betrat das Schlafzimmer. »Sieht nicht schlecht aus jetzt.« Das Bett stand nicht mehr direkt an der Wand, der Schrank befand sich nun neben der Bildtapete. Er verdeckte tatsächlich höchstens eine Handbreit. Das Zimmer war größer, als es auf den ersten Blick ausgesehen hatte. Tapetenreste, Werkzeug, Leiter, Abdeckplanen… alles war entfernt worden.
    Tony Cramert schluckte. Aber Monica achtete nicht darauf. Sie trat vor die Bildtapete. Sie sah jetzt noch realistischer aus, als zuvor. Durch das Fenster drang das Licht der Abendsonne und warf einen roten Schein über den »Wald«. Monica verspürte das Bedürfnis, einen Fuß auf die »Treppe« zu setzen und in den »Wald« hinauf zu steigen.
    »Ich hätte nie gedacht, daß das Bild so schön aussieht«, sagte Tony andächtig. »Im Laden sah es nicht halb so gut aus.«
    »Vermutlich auch, weil kein halbnacktes Mädchen davor stand«, behauptete Monica.
    »Du könntest das Handtuch weglassen, dann sähe die Sache noch besser aus«, schlug Tony vor.
    »Nicht ganz so schnell, mein Lieber. Überleg dir mal, wo du die Flasche Wein auftreibst. Vielleicht verkauft dir der Wirt im Lokal um die Ecke ein wenig, wenn du ihn höflich drum bittest.«
    »Jetzt, um diese Zeit?«
    »Ohne Wein wird dieses Tuch nicht fallen«, neckte Monica. »Ich würde dir höchstens die Augen auskratzen.«
    »Erpresserin!«
    »In dem Fach war ich schon immer gut.« Sie wandte sich wieder der Fototapete zu. Mit einer Hand wollte sie die Wand berühren. Es fiel ihr schwer zu glauben, daß es sich wirklich nur um eine Fotografie handelte und daß direkt hinter der Tapete die Wand war, die Schlafzimmer und Küche voneinander trennte.
    Ihre Hand erreichte den »Baum«, auf den sie zielte, nicht. Der stand ein paar Meter entfernt im Wald.
    Monicas Hand drang in das Bild ein.
    Sie gab einen überraschten Laut von sich. Dann tastete sie mit der zweiten Hand nach. Tatsächlich, da war keine Wand! Da fing tatsächlich der Wald an, und im nächsten Moment setzte sie den ersten Fuß auf die Steintreppe, fühlte welkes Laub unter ihrer Fußsohle und nahm die zweite und dritte Stufe. Langsam ging sie weiter die Treppe hinauf in den Wald hinein.
    Im Schlafzimmer in Tony Cramerts Studentenwohnung gab es sie nicht mehr.
    ***
    Uschi Peters merkte es im gleichen Augenblick.
    In ihr breitete sich Leere aus, grenzenlose Leere und Einsamkeit.

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