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034 - Der Weg nach Westen

034 - Der Weg nach Westen

Titel: 034 - Der Weg nach Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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aufzustehen und den Kerker zu verlassen. »Hast fertig, komm schon.«
    Dave sprang auf. Seine Knie drohten nachzugeben. Er stützte sich an der Wand ab. Glucksende Geräusche schwappten aus seinem Hals über seine Lippen. »Hey, Mickey hast du das auch gehört?« Er kicherte wie ein Irrsinniger. »Glaub nicht, dass die uns verarschen, oder?«
    Die Mienen der Männer verfinsterten sich. David McKenzie sprach Englisch und sie verstanden kein Wort. Wieder winkte der Bucklige mit einer Kopfbewegung. Ungeduldiger diesmal. Beide traten sie zur Seite, um den Eingang freizugeben.
    »Hab ichs dir nicht gesagt, Mickey…?« Dave feixte und kicherte. Die Scheiben vor seinem inneren Auge purzelten durcheinander. Alles in seinem Kopf purzelte durcheinander. Er stakste von seinem Lager aus Stroh und Laub in Richtung Tür. »Ich komm hier wieder raus hab ichs nicht heut erst wieder gesagt…?«
    Während er kicherte, liefen ihm Tränen aus den Augen. Er konnte nichts dafür sein Nervenkostüm war einigermaßen stabil für einen Mann, der hundertsiebenundvierzig Tage Einzelhaft im Halbdunkeln hinter sich hatte. Und dazu eine selbstbehandelte Schulter und Unterarmfraktur. Erstaunlich stabil sogar, wirklich wahr. Aber die Plötzlichkeit der Wende hebelte ihn aus.
    In der Mitte des Raumes, fünf Schritte von der Tür und den beiden Exoten entfernt blieb er stehen und drehte sich um. Seine Augen flatterten über die Wand, die ihm einundzwanzig Wochen lang als Notizblock gedient hatte. Noch einmal las er die Namen, betrachtete die Zeichen und Striche, überflog die Algorithmen und Gleichungen. Zum letzten Mal.
    »Zum letzten Mal«, sagte er laut. »Zum letzten Mal, Professor Doktor David McKenzie.«
    Das Durcheinander in seinem Schädel legte sich. Sein Hirn begann das neue Faktum zu akzeptieren. Von einem Moment auf den anderen arbeitete es wieder in gewohnter Kühle.
    Dave nahm die Brille ab und wischte sich die Augen aus. Dann drehte er sich zu den beiden Eigenartigkeiten an der Tür um. Ein scheußli- cher Gedanke beschlich ihn. Was, wenn sie ihn zur Hinrichtung abführten....?
    »Äh wohin?« Er kratzte seine Deutsch- kenntnisse zusammen. »Ich meine was ihr habt vor mit mir?« Misstrauen verengte seine Augen.
    »Nix.« Der Bucklige schüttelte energisch den Kopf. »Nix ham wa vor. Frei biste. Fertig haste.«
    Dave nickte zufrieden. Er holte tief Luft. Mit geschwellter Brust und großen Schritten stapfte er zur Tür.
    Die ausgestreckten Arme des Mannes mit den Filzquasten versperrten ihm den Weg. Abrupt blieb Dave stehen. Er blickte auf die Hände des Mannes. Lauter vertraute Gegenstände hielt er ihm unter die Nase. »Gehört dir«, schnarrte er.
    »O ja«, tönte Dave. Nacheinander nahm er dem Mann die Dinge aus der Hand und versenkte sie in den vielen Taschen seines Piloten Kombis: Notizbuch, Kompass, Stift, Brillenetui, Taschenmesser. Zuletzt nahm er seine Uhr. Genau wie die anderen Sachen schien sie unbeschädigt zu sein. Er hielt sie dicht vor seine Augen, um das Zifferblatt er- kennen zu können. Halb acht zeigten die Zeiger. Und der Kalender verriet ihm das Datum: Mittwoch, 4. Juli.
    »Hey, Mickey ich kann höchstens ein paar Stunden bewusstlos gewesen sein!« Feixend schnallte er sich die Uhr ums Handgelenk. »Ich hab richtig gezählt es ist Mittwoch, der 4. Juli 2012…«
    Das stimmte nicht ganz…
    ***
    Ein klobiger Turm über einem grasbe- wachsenen Satteldach, vielleicht fünfzehn Meter hoch so sah sein Gefängnis von außen aus. McKenzie blinzelte zu dem wuchtigen Kuppeldach hinauf. Längst verhüllte eine graue Wolkendecke die Sonne wieder, dennoch schmerzte ihn das Tageslicht auf den Netzhäuten.
    An mehreren Stellen war das Kuppeldach eingebrochen. Birkenähnliche Bäumchen wucherten aus den Löchern. Fenster und Fassade des Turms bedeckte eine schmutzige Schicht aus Moos und Kletterpflanzen.
    Das an den Turmbau angrenzende Gebäude war über und über von Gestrüpp bedeckt. Buschwerk hüllte die Fassade ein, Brennnesseln und Farn wucherten auf dem Dach. Nur ein paar glaslose Fensteröffnungen und ein großer bogenförmiger Eingang waren freigehalten worden.
    McKenzie löste sich aus der Gruppe der Lumpengestalten, die sich um ihn geschart hatte zehn, zwölf Männer mit Prügeln und Speeren bewaffnet. Er näherte sich dem Eingang der Ruine. Zwei Säulen, die einen Bogen trugen, flankierten ihn. Er blickte hinein.
    Und sah Holzpflöcke, Kisten und schwärzliche Kunststofffässer. Improvisierte Sitzgelegenheiten, die

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