0354 - Mordmotiv nach Maß geschneidert
vor Angst atemlose weibliche Stimme. »Hallo, spreche ich mit Agent Cotton? Agent Jerry Cotton vom FBI?«
»Ja.«
»Ich bin Marie-Lou Seabrook, Teddy McGuirs Cousine…«
»Teddys Cousine?« Ich war mit einem Schlag hellwach. Ich hatte eine schwache Ahnung von dem, was jetzt kommen würde. »Ist was mit Teddy?«
»Sie müssen sofort kommen, Agent Cotton! Sofort!« Die Frau schien nur mit Mühe ein Schluchzen zu unterdrücken.
»Ich habe Angst, Agent Cotton, schreckliche Angst! Ich bin allein im Haus. Agent Cotton, ich glaube, Teddy ist entführt worden.«
»Beruhigen Sie sich, Miss Seabrook, und versuchen Sie, alles der Reihe nach zu erzählen.« Während ich sprach, war ich aufgesprungen, klemmte den Hörer zwischen Kinn und Schulter und zog mich an.
»Ich bin aufgewacht und hörte Teddy schreien. Laut schreien: ›Lasst mich los!‹ und: ›Ich will nicht!‹ Und ein paarmal rief er ›Daddy‹. Ich habe Angst, ich…«
Unvermittelt brach die Stimme ab. Dann hörte ich sie leise und erschreckt aufschreien. Dann eine Männerstimme: »Wem erzählst du diesen Unsinn? Warum solltest du in diesem Haus Angst haben? Husch, fort, mach, dass du ins Bett kommst.«
»Unsinn? Aber das ist doch kein Unsinn, Onkel Randolph!«, hörte ich Marie-Lou protestieren. »Wie kannst du sagen, es sei Unsinn, Onkel Randolph? Du warst doch nicht da! Keiner von euch war da!« Schluchzend fuhr sie fort: »Ich war ganz allein. Und Teddy schrie, als sie ihn holten. Er schrie, Agent Cotton, hören Sie…?«
Plötzlich schien es bei den Seabrooks ein Handgemenge zu geben. Ich hörte ein polterndes Geräusch, und der Mann stieß zornig hervor: »Was hast du eben gesagt? Mit wem telefonierst du da, du kleine…?«
Dann gab es einen neuen Krach, die Leitung war tot.
Für einen Augenblick überlegte ich. Dann griff ich erneut zum Telefon und versuchte, Phil zu erreichen.
Teddy McGuir entführt!
Jemand hatte schnell geschaltet, jemand hatte wie ein Blitz auf Rudys Verhaftung reagiert und unser Manöver mit der Rauschgiftstory gar nicht erst zum Zuge kommen lassen.
Bei Phil meldete sich niemand.
Ich kleidete mich fertig an und marschierte ab. Von meiner Wohnung in die Park Avenue ist es nicht weit. Deshalb nahm ich den Weg ganz schlicht zu Fuß.
***
Dann stand ich vor dem schmiedeeisernen Tor der Einfahrt von Bueno Retiro, wie der Seabrooksche Besitz sinnigerweise hieß.
Der Nebel war dünner geworden, aber die Straßenlaternen schwammen noch immer wie blasse Monde im milchigen Grau.
Ich begann nach einer Vorrichtung zu suchen, mit deren Hilfe ich mich bemerkbar machen konnte. Gerade als ich die geschickt versteckte Klingel entdeckt hatte, bog ein Kabriolett auf die Straße zu und raste in Richtung Einfahrt. Schon glaubte ich, der Wagen müsse das Tor rammen, als der Fahrer das Steuer wild herumriss und den Wagen quer zum Stehen brachte.
Ich sah, wie die Insassen durcheinander purzelten, doch schienen sie daran ihr Vergnügen zu finden.
Sie johlten und jubelten und taten so, als hätten sie von dem Begriff nächtliche Ruhestörung noch nie etwas gehört.
Plötzlich entdeckte einer der männlichen Passagiere mich, der ich wie ein armer Sünder im grellen Licht der Scheinwerfer stand.
Die Augen rollend, stieg der Mann mühsam aus dem Wagen und kam, schlingernd wie ein Ozeandampfer, auf mich zu.
Durch die dünnen Nebelschwaden zwischen uns starrte er mich an und fauchte: »Was haben Sie denn hier zu suchen?« Der Mann hatte glasige Augen und wankte unentwegt von einem Bein aufs andere.
Ich musterte den Mann und stellte fest, dass er gar nicht mehr so jung war. Das überraschte mich, denn das Benehmen hatte mich auf junge Leute schließen lassen.
»Steve«, meldete sich eine weibliche Stimme im Hintergrund, noch ehe ich etwas sagen konnte, »sei doch nicht so aggressiv, Steve! Hör doch…«
Er winkte unwillig ab.
»Treibt sich hier im Dunkeln rum…«
Ich sagte ihnen wahrheitsgemäß, warum ich zu dieser Stunde vor der Tür wartete.
»Teddy ist entführt worden.«
Sie waren so schockiert von meiner Mitteilung, dass sie mich sogar ohne Zwischenrufe zu Ende reden ließen.
Jemand öffnete mir wortlos die Tür. Dann erfuhr ich, dass es Steven und Gloria die Eltern von Marie-Lou, der Anruferin, waren.
Der junge Mann, der mir das erzählte, war Rory Scott, der jüngste Spross der Familie.
»Wenn Teddy wirklich entführt worden ist, Mister FBI, tun mir die Burschen leid. Sie hoffen sicherlich auf ein dickes Lösegeld. Aber kein
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