0356 - Die Frau, die zweimal starb
überhaupt?
Darüber wußte Sheila nichts. Sie hatte sich ein schmales Programmheft gekauft, schlug es auf, las zunächst, wessen Werke gespielt wurden. Mozart, Vivaldi und Chopin. Das interessierte sie jetzt nicht. Den Lebenslauf der Pianistin fand sie auf den letzten Seiten und stellte fest, daß Gabriela di Fanti in Italien geboren war, dort auch das Klavierspielen erlernt hatte und dann praktisch von Konzert zu Konzert weitergereicht wurde.
Das war alles.
Und es war für Sheila zu wenig.
Nichts stand über ihre Eltern, nichts Genaues über die Herkunft, ihren eigentlichen Geburtsort, zum Beispiel, nur die Stationen ihrer Karriere wurden erwähnt.
Darüber wunderte sich Sheila. Ein Künstlerportrait war normalerweise ausführlicher.
Weshalb hatte man hier wichtige Daten weggelassen? War die Herkunft dieser musisch so begabten Frau etwa nicht zu erforschen gewesen?
Eine dunkle Männerstimme unterbrach ihren Gedankengang. Jemand bat Sheila, passieren zu dürfen.
Sie lächelte knapp und stand auf. Der Mann war in Begleitung seiner Frau. Beide nahmen rechts nehmen Sheila Platz.
Sie blieb noch stehen und drehte sich um. Längst war der erste Gong erklungen, und noch immer sah sie von Bill nichts.
Allmählich steigerte sich ihre Unruhe. Noch fünf Minuten, bis zum Konzertbeginn.
So lange durfte Bill mit dieser Frau nicht reden. Die mußte schließlich auf die Bühne.
Bill konnte viel von seiner Gattin verlangen, aber nicht, daß sie so einfach sitzenblieb und auf ihren Mann wartete. Solche Nerven besaß sie nun doch nicht.
Einer plötzlichen Eingebung folgend, stand sie auf und war nun an der Reihe, sich bei den anderen zu entschuldigen, da sie an zahlreichen Beinen vorbei den Gang bis zur Seite hindurchgehen mußte.
Dort blieb sie stehen und spürte, daß sich auf ihrer Stirn ein leichter Schweißfilm gebildet hatte.
Sie drückte sich gegen die Wand. Letzte Nachzügler eilten herbei und suchten die Plätze.
Die Saalordner oder Diener standen schon bereit, um die Türen zu schließen.
Noch zwei Minuten.
Jetzt war Sheila es leid. Bevor die Türen zugeklappt werden konnten, lief sie los und nach draußen in das Foyer. Überrascht wurde sie dort angeschaut. »Ist Ihnen nicht gut?« fragte der Mann, der die Tür schloß.
Sheila wischte über ihre Stirn. »Doch, doch.« Sie quälte sich ein Lächeln ab. »Ich werde vielleicht nach der Pause in den Saal zurückkehren. Das geht doch – oder?«
»Sicher.«
»Danke.«
Der Saaldiener wunderte sich über Sheilas Verhalten. Er kam auf sie zu und erkundigte sich, ob er ihr nicht doch irgendwie behilflich sein könnte.
Sheila schaute den Mann an. Sie überlegte einen Moment und nickte heftig. »Ja, vielleicht können Sie das.«
»Bitte sehr.«
»Ich suche meinen Mann.«
Der Saaldiener wollte erst lächeln, unterließ es jedoch, weil ererkannte, wie ernst es der Frau mit dieser Behauptung gewesen war.
»Es tut mir leid, aber ich kann Ihnen da nicht weiter helfen. Wie sieht Ihr Mann denn aus?« Den letzten Satz fügte er eigentlich nur reinroutinemäßig hinzu.
Sheila aber folgte der Aufforderung und gab eine exakte Beschreibung ihres Mannes.
Der Saaldiener hörte zu. Sein Mund klappte dabei auf, und er nickte heftig.
»Klar, den habe ich gesehen.«
»Wie bitte?«
»Ja, ich habe ihm selbst den Weg zu den Garderoben gewiesen.«
Sheila war überrascht. Den auftosenden Beifall nahm sie nur im Unterbewußtsein wahr. »Wo denn?«
»Kommen Sie mit.«
Neben dem Saaldiener schritt Sheila her. Sie konnte sich in dem langen Kleid nicht so schnell bewegen, wie sie es gern gewollt hätte.
Aber sie sah jetzt eine erfolgversprechende Spur.
Wenig später erreichten Sheila und der Saaldiener genau die Tür, durch die auch Bill Conolly in den Garderobengang gegangen war.
»Hier habe ich Ihren Mann durchgelassen.«
»Darf ich auch?« fragte Sheila.
Der Saaldiener hob die Schultern und verzog das Gesicht. »Es ist eigentlich verboten.«
»Sie können ja mitkommen.«
»Nachher. Ich habe jetzt noch andere Aufgaben zu erfüllen. Sagen wir in zehn Minuten?«
»Das dauert mir zu lange.«
»Gut, dann gehen Sie vor. Ich schaue später nach.«
»Ich danke Ihnen.«
Sheila wartete, bis der Mann gegangen war. Als sie die Tür aufzog, fröstelte sie, da es in dem kahlen Gang ziemlich kühl war.
Einen ersten Blick warf sie hinein, fand ihn leer, bis plötzlich am Ende des Ganges eine Tür aufgezogen wurde und zwei Männer erschienen.
Sheila sah von ihnen nicht viel.
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