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0356 - Die Frau, die zweimal starb

0356 - Die Frau, die zweimal starb

Titel: 0356 - Die Frau, die zweimal starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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waren, und dies bekam auch ich zu spüren.
    Ich hatte das Gefühl, eine Rakete zu sein. Ich wurde vom Sitz hochgeschleudert, schlug mit den Armen um mich, fiel nach vorn gegen die anderen Sitze, prallte dort ab, kippte durch die intervallweise erfolgenden Rucke wieder nach hinten, dann zur Seite, gleichzeitig nach vorn, landete zwischen den Sitzen und versuchte, mit beiden Händen meinen Kopf zu schützen.
    Dazwischen hörte ich die Geräusche.
    Die Räder kreischten. Lange Funkenbahnen entstanden, und die Wagen stießen mit dröhnenden Geräuschen hart gegeneinander.
    Alles befand sich in Bewegung, wackelte, kreischte, knirschte und kippte.
    Dumpfe Schläge erklangen, und dazwischen gellten die überraschten Schreie der Menschen.
    Natürlich hatten die Fahrgäste Angst. Besonders die zahlreichen Kinder, die ebenfalls auf den harten Bänken der 2. Klasse durch die Abteile geschleudert wurden.
    Da blieb kein Gepäckstück an seinem Platz. Die Fliehkraft brachte alles durcheinander. Auch meinen Koffer hatte es nicht im Gepäcknetz gehalten. Er war nach unten geschleudert worden und mir zum Glück nicht auf den Kopf gefallen, denn so etwas hätte mir zu allem Unglück noch gefehlt.
    Zwischen den beiden sich gegenüberliegenden Sitzreihen blieb ich liegen und wartete so lange, bis der Zug endlich zum Stillstand gekommen war.
    Dabei dachte ich natürlich darüber nach, aus welchem Grund jemand die Notbremse gezogen hatte.
    Dazu noch in einem Tunnel.
    Es mußte also an Bord einen außergewöhnlichen Vorgang gegeben haben, sonst hätte keiner auf diese Art und Weise reagiert. Ich wartete noch, bis der Zug zum Stillstand gekommen war und stand auf.
    Zu sehen war kaum etwas, weil nicht einmal die Notbeleuchtung brannte. Nur das schwache Licht einer einsamen Tunnelleuchte sorgte für minimale Helligkeit.
    Ich dachte praktisch, griff zur Jacke und streifte sie über. Den Weg zur Abteiltür fand ich sicher. Meine Hand suchte den Griff, um die Tür aufzuziehen, als draußen vor der Tür ein Schatten vorbeihuschte. Ich hörte den Schatten schrill pfeifen.
    Für mich war klar, daß es der Schaffner gewesen sein mußte, der da vorbeigeglitten war.
    Ob er mit seinem Pfiff Erfolg haben würde, konnte ich nicht sagen. Jedenfalls vernahm ich weiterhin das angstvolle Schreien der Menschen, die in den anderen Wagen durcheinandergefallen waren und nicht wußten, wie sie sich verhalten sollten. Besonders schwer würde es sein, die Kinder zu beruhigen.
    Endlich hatte ich den Griff gefunden, zog die Abteiltür auf und drückte mich in den Gang.
    Es ist schon ein etwas unheimliches Erlebnis, mit einem Zug in einem Tunnel zu stehen. Und wenn dann noch einer schreit…
    Aus dieser Richtung wehte mir auch der Windzug entgegen. Für mich ein Beweis, daß man bereits Türen geöffnet hatte und erste Fahrgäste wohl aussteigen würden.
    Ich hatte den Wagen durchquert und sah einige helle Lichtinseln inmitten der Schwärze. Es waren die Menschen, die Feuerzeuge oder Streichhölzer angezündet hatten und dafür sorgten, daß sie wenigstens etwas sehen konnten.
    Auch ich erkannte etwas.
    Im flackernden Schein eines brennenden Feuerzeugs tauchte vor mir ein kompakter Schatten auf. Es war der Rücken des Schaffners, der wie eine Wand stand, an der ich nicht vorbeikonnte, weil er die Breite des Ganges ausfüllte.
    Der Mann hielt ein brennendes Sturmfeuerzeug fest und scheuchte mit lauten, dröhnenden Worten die Reisenden aus den Wagen.
    Um mich kümmerte er sich nicht.
    Ich blieb dicht hinter ihm stehen und tippte ihm auf die Schulter.
    Ohne seine Armhaltung zu verändern, drehte er nur mehr den Kopf und schaute mich an.
    »Darf ich durch?« fragte ich.
    »Nein. Erst die anderen.«
    »Ist gut.« Der Mann hatte ja recht. Zunächst sollten Frauen und Kinder aussteigen, ich kam noch früh genug in den Tunnel.
    Allerdings konnte ich mich daran erinnern, daß die Strecke zweigleisig war, und wenn ich da an den Gegenzug dachte, der von der anderen Seite in den Tunnel raste, wurde mir ganz anders. Die Fahrgäste stiegen zum Glück an der Außenseite aus, dort befand sich nur der schmale Raum zwischen Tunnelwand und Zug.
    Außerdem verhielten sich die Menschen sehr diszipliniert. Sogar die Kinder waren ruhig. Wahrscheinlich vor Angst.
    Fahrgast auf Fahrgast kletterte aus dem Zug. Das Zugpersonal stand in einer bewundernswerten Ruhe da, ihre Feuerzeuge leuchteten. Es war wirklich eine große Hilfe.
    Ich grübelte nach wie vor über den Grund dieses Bremsvorganges.

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