0361 - Am Tor zur Hölle
Eingangs lagen. Die beiden Griechen waren schnell gestorben.
Dann wurde die Neugier des Ungeheuers durch den Duft des Traubensaftes geweckt, der in der mächtigen Schale zum Wein reifte.
»Ha, duftendes Blut!« grölte Polyphem. »Süß duftendes Blut. Wie ist das hierher gekommen? Habt ihr es mitgebracht, ihr kleinen Wichte?«
»Du hast recht, Zyklop!« rief Professor Zamorra, bevor Odysseus etwas anderes sagen konnte. Vielleicht kannte der Riese den Begriff Wein und wußte, daß man davon betrunken wird. Das konnte den ganzen Plan in Frage stellen. »Es ist Blut, Polyphem! Das Blut der Reben, die wir für dich ausgepreßt haben. Wenn dir das Fleisch der Hammel nicht mehr mundet, dann wirst du sicher erfreut sein, wenn du zu unserem Fleisch nicht die gewohnte Milch trinken mußt.«
»Dann gib mir davon!« murrte Polyphem. »Mich dürstet!«
»Nein, Zyklop!« gab Zamorra zurück. »Das Blut der Reben ist noch nicht fertig. Es muß noch süßer werden und… !«
»… und muß Wein werden!« brüllte Polyphem. »Das könnte euch so passen. Ihr wollt mich betrunken machen und mich dann überreden, daß ich euch hinauslasse, wie es Herkules tat, als er hier bei mir war. Der hat mir auch Wein gegeben – aber der hatte auch die Kräfte, den Stein wegzurücken als ich betrunken am Boden lag und meinen Rausch ausschlief!«
»Aber wer wird denn so mißtrauisch sein… !« mischte sich Odysseus ein.
»Ich bin nicht mißtrauisch. Nur durstig!« knurrte der Riese und langte nach der Schale. Mit beiden Händen ergriff er sie und trank in tiefen Zügen.
Professor Zamorra blieb fast das Herz stehen, als er erkannte, daß Polyphem den gesamten in Gärung befindlichen Wein getrunken hatte.
Zufrieden schmatzte er, um dann herzhaft zu rülpsen.
»Nicht schlecht!« brummte er dann. »Ich denke, ich werde euch noch von diesen dunklen Beeren bringen, damit ihr mir mehr Blut der Reben machen könnt!« Dann erhob er sich und ging zum Felsen.
»Das Auge!« stöhnte Zamorra leise. »Es muß uns gelingen, ihn irgendwie zu blenden. Nur wenn Polyphem blind ist, kommen wir hinaus!«
»Das wird er gleich sein, wenn meine Lanze ihr Ziel nicht verfehlt!« hörte er neben sich eine Stimme knirschen. Odysseus hatte einen Speer an sich gerissen, wog ihn durch, legte den Körper weit zurück und warf ihn mit aller Kraft auf den Schädel des Zyklopen.
Zischend durchschnitt die Waffe die Luft – und traf. Die Spitze der Lanze fuhr in das Auge des Zyklopen in der Stirn.
Der Riese brüllte auf. Aber es war mehr ärgerliche Wut als Schmerz in diesem Schrei. Zamorra bebte und Odysseus ging hinter einem Felsen in Deckung, als Polyphem sich jetzt umdrehte.
Der Speer war in seiner Hand wie ein Zahnstocher. Er hatte ihn aus dem Auge herausgezogen. Das Auge war völlig unverletzt. Aus dem Brüllen des Zyklopen wurde ein Lachen.
»Was habt ihr denn jetzt versucht?« fragte er nach einer Weile mit fast freundlicher Stimme. »Ihr, wollt mich blenden und an mir vorbeihuschen, wenn ich meine Höhle verlasse, weil ihr denkt, ich sehe euch nicht. Ach, ihr armen Tröpfe. Ihr wißt ja nicht, daß ich ein Halbgott bin.«
»Ich habe vernommen, daß du der Sohn des Meeresgottes Poseidon bist«, sagte Zamorra und schob sich vorsichtig hinter dem deckenden Felsen hervor.
»Rachames, der Gott der Götter, ist mein Vater«, gab Polyphem zurück.
»Einen Meeresgott mit Namen Poseidon kenne ich nicht. Wenn es den gibt, hat er hier nichts zu sagen. Rachames sorgt dafür, daß ich nicht verletzt werde.«
»Du bist also unverwundbar?« fragte Professor Zamorra schnell.
»Rachames schützt mich gegen jede Waffe! Außer gegen die Elemente von Murat, seinem Gegner!« Die Stimme des Zyklopen war fast freundlich.
»Und wer ist Murat?« wollte Zamorra wissen. Denn nur dann bestand eine Chance, den Zyklopen zu besiegen, wenn man seine verwundbare Stelle traf.
»Ihr kommt von außerhalb und betet zu fremden Göttern«, knurrte der Zyklop. »Darum erfahrt, welche Götter hier auf dieser Welt regieren und das Schicksal bestimmen. Rachames, der mich und meine Brüder zeugend erschuf, ist der Herr der Erde und des Wassers. Alles was auf der Erde oder im Wasser existiert, hat mir nach seinem Willen zu gehorchen. So vermag mich das Eisen des Speeres nicht zu verletzen und das Holz mich nicht zu treffen. Hier in dieser Welt, müssen sie Rachames dienen!«
»Und wer ist Murat«, kam Zamorras drängende Frage.
»Der Herr der Stürme, des Feuers und der Vulkane«, grollte
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