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0361 - Am Tor zur Hölle

0361 - Am Tor zur Hölle

Titel: 0361 - Am Tor zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Möglichkeit zur Flucht abgeschnitten. Das war das unausweichbare Ende.
    »So. Jetzt zeig mal dein Geschenk her, Niemand!« forderte Polyphem auf, nachdem er seinen massigen Körper ganz in die Höhle hineingeschoben und den Felsen wieder vor die Tür gewälzt hatte.
    Professor Zamorra nahm das Amulett von seinem Hals und hielt es an der Silberkette in die Höhe. Merlins Stern zeigte hier, in dieser fremden Welt, keine dunklen Kräfte an. So schien es jedenfalls. Zamorra war sich nicht darüber im klaren, ob der Schutz des Rachames in diesen Dimensionen eine Art Magie war, auf die die Kraft einer entarteten Sonne ansprach.
    Zamorra brauchte das Amulett für ein Experiment, das zwar zur Welt des Übersinnlichen gehört und nicht mit den Mitteln der Logik zu erklären ist – das jedoch auch in unseren Tagen von Psychiatern und anderen Wissenschaftlern ausgeführt wird. Von der Hypnose ist der geheimnisvollumhüllende Schleier der verbotenen Zauberkunst bereits herabgezogen.
    Der Parapsychologe hoffte, daß es ihm gelang, den Zyklopen in tiefen Schlaf zu versenken. Dann hatte er den gleichen Effekt, den der Wein ergeben hätte. Der Zyklop mußte sich schlafen legen. Dazu mußte Zamorra den Blick von Polyphems Auge auf einen zentralen Gegenstand lenken, um so in sein Bewußtsein vordringen zu können. Das Amulett erschien ihm das einzige Kleinod, den das einäugige Scheusal wirklich beachtete.
    »Hier, Zyklop! Sieh es dir genau an«, forderte Professor Zamorra auf und hielt das Amulett in die Höhe.
    »Ich kann nichts erkennen außer etwas Glitzerigem!« Polyphems Stimme klang enttäuscht. »Sieht aus wie ein kleiner Stein, auf den die Sonne scheint. Das interessiert mich nicht!«
    »Sieh es dir doch genau an. Es ist eine wundervolle Arbeit«, drängte Zamorra.
    »Du willst, daß ich mich zu dir herabbücke und du mir was tun kannst«, grollte der Zyklop. »Du willst versuchen, mir wieder das Auge auszustechen. Das kannst du zwar nicht – aber es tut trotzdem weh, wenn ein spitzer Gegenstand hineingebohrt wird!«
    »Wie kann man nur so mißtrauisch sein!« Zamorra lachte gespielt.
    »Einmal bin ich nicht mißtrauisch gewesen. Und da ist mir dieser Herkules entkommen«, konterte der Zyklop.
    »Dann umfaß mich mit deiner Hand und heb mich hoch!« Professor Zamorra wußte, daß er alles auf eine Karte setzen mußte. Polyphem war schlauer, als er erwartet hatte. »So hoch, daß du dir die schönen Ornamente ansehen und dein Auge daran erfreuen kannst.«
    »Du planst Verrat«, grollte Polyphem ahnungsvoll.
    »Wenn es so ist, dann kannst du mich in deiner Hand zerdrücken«, gab Zamorra zurück. »Oder bist du zu feige, mir in die Augen zu sehen?«
    »Wenn du nicht feige bist, in meine Hand zu steigen, dann werde Ich mir dein Geschenk ansehen«, erklärte der Zyklop nach einer Weile des Nachdenkens. Dann öffnete er die Handfläche. Professor Zamorra mußte allen Mut aufbringen, sich gelassen zu geben und sich der Willkür des Zyklopen anzuvertrauen.
    Wenn Polyphem jetzt zudrückte war es zu spät…
    ***
    Langsam hob der Zyklop Professor Zamorra zu sich empor. Dem Meister des Übersinnlichen wurde übel, als ihm der heiße, stinkende Atem der einäugigen Bestie entgegen quoll. Aber er riß sich zusammen. Als er jetzt fast unmittelbar vor Polyphems Auge war, ließ der üble Geruch etwas nach.
    »Wunderbar! Faszinierend! So etwas Schönes habe ich noch niemals gesehen«, hörte er unter sich die staunende Stimme des Zyklopen. Polyphem war nahe genug mit dem Auge an Merlins Stern. Entzückt betrachtete die einäugige Bestie die Silberscheibe, in der die Kraft der entarteten Sonne gebändigt war.
    »Sieh genau hin! Sieh genau hin!« Professor Zamorras Stimme wirkte leidenschaftslos einschläfernd und war doch von zwingender Willenskraft.
    »Ich… sehe… es… !« Die Stimme des Zyklopen kam langsam.
    »Du siehst die Schönheit, die von dir Besitz ergreift«, klang Zamorras Stimme. »Du wirst ihr folgen und sie wird schöner und schöner. Was du siehst mischt sich mit Dingen, die aus deiner Fantasie entspringen. Und deine Fantasie ist Traum… ein Traum… Schlaf und Traum… !«
    »Traum… und Schlaf…«, stieß Polyphem mühsam hervor.
    »Du siehst die schönsten Dinge dieser Welt, wenn du schläfst!« In Zamorras Stimme war weder Höhe noch Tiefe, weder Gefühl noch Leidenschaft.
    »Schlaf ist es, was du willst. Du spürst es doch, wie du hinübergleitest in die Traumwelt!«
    »Es ist so schön. Welche Pracht… –

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