0362 - Der Irre und der Tote
strich er über das Gesicht des Zwerges und zog ihn an den verkümmerten Ohren.
Plötzlich packte Beriot den Zwerg am Kopf und an den Beinen und hob ihn aus dem Sarg.
Sekundenlang stand er mit seiner Last wie versteinert neben dem Sockel. Dann trottete er zur Hallenwand und legte Scanlon Ocachees Leiche in eine kleine Nische. Als er sich aufrichtete, blickte er lauernd nach allen Seiten. Sein Gesicht war vor Erregung verzerrt. Beriot hatte jetzt nichts mehr mit einem Menschen gemein. Mit schwingenden Armen kehrte er zum Sockel zurück. Seine Blicke richteten sich auf den leeren Sarg, als könnte er nicht fassen, daß niemand mehr darin lag.
Seine Hände griffen nach dem Sargrand. Er zog sich daran hoch.
Obwohl Dr. Jean Beriot nur eineinhalb Meter groß war, mußte er seine Beine anziehen, um innerhalb des Sarges Platz zu finden.
*
Dr. Treiber betrat die Krankenstation der CREST IV mit der Überzeugung, daß ihn eine ruhige Nacht erwartete. Der zweite Teil einer Nachtwache verlief immer ruhiger als der erste. Wenn sich jemand unpäßlich fühlte, ging er noch abends zur Behandlung. Die stationären Fälle würden Dr. Treiber wenig Kummer bereiten, denn sie wurden nur in größeren Zeitabständen untersucht.
Dr. Treiber runzelte die Stirn, als er feststellte, daß weder Dr. Myteren noch sein Assistent auf der Station waren. Der Arzt konnte sich schlecht vorstellen daß seine Kollegen ihren Platz bereits vor der Ablösung verlassen hatten.
Vielleicht, überlegte Treiber, waren Myteren und der junge Mann in der Kabine Beriots. Der Chefphysiker wurde isoliert gehalten.
Treiber durchquerte die Krankenstation und öffnete die Tür zur Beriots Kabine.
Vor ihm am Boden lagen Dr. Myteren und sein Assistent. Sie waren mit Sicherheitsgurten aneinandergebunden. Man hatte ihnen Kompressen in den Mund gesteckt. Myteren war bei Bewußtsein und starrte mit hilfloser Wut zu Dr. Treiber empor.
Dr. Treiber beeilte sich, seinem Kollegen den Knebel aus dem Mund zu ziehen.
„Benachrichtigen Sie sofort Perry Rhodan!" sprudelte Myteren mit rauher Stimme hervor. „Beriot ist geflohen."
Treiber zögerte, dann entschloß er sich zunächst die beiden Männer zu befreien. Gemeinsam mit Myteren legte er den jungen Arzt, der wieder bewußtlos war, auf Beriots Bett.
Dann ging Myteren zum Interkom-Anschluß der Krankenstation und gab Alarm.
*
Fünfzehn Minuten später stand fest, daß Dr. Jean Beriot sich nicht mehr an Bord der CREST IV aufhielt.
In der Zentrale des großen Schiffes saßen die Verantwortlichen beisammen und berieten, was sie tun konnten, um Zwischenfälle zu vermeiden.
„Für das Verhalten des Kranken gibt es keine Erklärung", betonte Dr. Myteren zum wiederholtenmal.
„Niemand macht Ihnen einen Vorwurf Doc", sagte Rhodan. „Aber es ist nun einmal passiert. Sie und Ihr Assistent sind das beste Beispiel für die Gewalttätigkeit des Kranken. Was geschieht, wenn er einen Okefenokee anfällt und verletzt oder tötet?"
„Wir müssen Suchmannschaften ausschicken", sagte Atlan. Er hatte diesen Vorschlag gleich nach Bekanntwerden von Beriots Verschwinden schon einmal gemacht, aber Perry Rhodan war nicht darauf eingegangen.
Rhodan warf dem Arkoniden einen Blick zu.
„Was werden die Okefenokees sagen, wenn mitten in der Nacht Männer das Schiff verlassen und das gesamte Industriegebiet absuchen?" fragte Rhodan. „Sie werden fragen, was passiert ist."
Atlan zuckte mit den Schultern.
„Dann müssen wir ihnen die Wahrheit sagen", schlug er vor. „Noch ist nichts passiert, aber mit jeder Minute, die wir ungenutzt verstreichen lassen, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, daß Beriot irgendeine Untat begeht."
Rhodan wollte alles vermeiden, um das Mißtrauen der Zwerge erneut hervorzurufen. Er hoffte, daß Beriot allein zum Schiff zurückkehrte, ohne daß sein Ausflug von den Okefenokees bemerkt wurde.
Nichts deutete darauf hin, daß der kranke Physiker die CREST IV verlassen hatte, um außerhalb des Schiffes Verbrechen zu begehen.
„Auf jeden Fall sollten wir Screecher benachrichtigen", sagte Atlan.
„Screecher", wiederholte Rhodan nachdenklich. „Es fragt sich nur, ob er uns die Geschichte abkauft, die wir zu berichten haben."
„Warum lassen wir die Zwerge nicht nach Beriot suchen?" erkundigte sich Oberstleutnant Ische Moghu. „Dann braucht keiner von uns das Schiff zu verlassen."
Myteren hob beschwörend beide Arme.
„Beriot besitzt in seinem jetzigen Zustand außergewöhnliche
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