0363 - Der Werwolf von Alaska
Wortlos stieg Angaunok dann zum Doc ins Fahrzeug, das losbrauste, ehe Zamorra ebenfalls einen Mitfahrwunsch äußern konnte. Er sah den Wagen um eine Straßenbiegung verschwinden.
War wohl nichts mit sofortiger Befragung, sobald MacNell das Bewußtsein zurückerlangte. Zamorra wußte nicht, wo der Lagerarzt seine Praxis hatte. Er hatte bisher auch noch kein Hinweisschild erkennen können. Die Männer vom Camp Eisbär wußten wohl alle, wo sie den Doc finden konnten, wenn sie ihn brauchten.
Zamorra seufzte. Er kehrte zum Saloon zurück. Er hoffte, unterwegs jemandem zu begegnen, der ihm sagen konnte, wo der Doc residierte. Spätestens im Saloon würde man es ihm dann sagen können. Vorsichtshalber machte er einen kleinen Umweg und schaute in Tauraks Wohnbaracke nach. Aber Tauraks Unterkunft war immer noch abgeschlossen.
Zamorra setzte seinen Weg fort.
***
Nicole blieb vor dem Tisch stehen. Sie zögerte. Taurak sah auf. »Bitte…«, sagte er und wies auf die freien Stühle.
Nicole fühlte sich seltsam berührt. Da saß dieser Eskimo und lud sie ein, sich an ihrem Tisch an ihren Platz zu setzen.
Seine Jacke hing über der Stuhllehne. Sein Gesicht war leicht gerötet.
»Deine Gelassenheit erstaunt mich, Inuk-Schamane«, sagte sie.
»Oh«, erwiderte er. »Du kennst dich aus, Nicole Duval?«
Sie nickte. Er war über die Bezeichnung gestolpert. Eskimo ist eigentlich ein Schimpfwort, das sich allerdings als Volksbezeichnung eingebürgert und seine ursprüngliche Bedeutung, »Rohfleischesser«, verloren hat. Der Eskimo nennt sich selbst Inuk, »Mensch«, in der Mehrzahl Innuit.
»Ich kenne mich nicht nur mit Bezeichnungen und Namen aus, sondern auch mit Schleichwegen, auf denen ein Werwolfmonster, das das Camp am liebsten zerstört sehen möchte, sich in Häuser schleicht und Spuren verwischt«, sagte sie. »Ich habe dich gesehen, Taurak.«
Hier, mitten im Saloon, würde er kaum über sie herfallen. Selbst wenn er die Nerven verlor und sie angriff, waren da noch die anderen Männer. Es war anders als bei Zamorras Begegnung mit Taurak am vergangenen Abend im Aufenthaltsraum der Baracke. Hier konnte Taurak noch weniger riskieren als gestern abend.
Sie beobachtete genau, versuchte in seinen Gesichtszügen zu lesen.
»Und du glaubst, du hättest jetzt die Lösung des Rätsels?« fragte er spöttisch.
Nicole nickte. »Du bist das Ungeheuer. Ich habe die Spuren gefunden. Du warst nicht sorgfältig genug.«
»Das mag sein«, gestand er. »Ich werde beim nächsten Mal daran denken.«
»Es gibt kein nächstes Mal«, sagte Nicole. »Du bist erledigt, Taurak.«
Er lachte leise. »Und was willst du nun tun? Was wollt ihr tun? Hingehen und den Werwolf totschlagen?«
»Es wird uns kaum etwas anderes übrigbleiben«, sagte Nicole. Die Situation war bizarr. Da saß sie und unterhielt sich in aller Ruhe und Gelassenheit mit dem Monster, das etliche Menschen ermordet hatte, und sie beide wußten, daß es nur eine Lösung des Problems gab.
Eine tödliche Lösung.
»Es sei denn, wir finden gemeinsam einen Weg, dich vom Wolfsfluch zu befreien, vom Drang zu morden, von der Verwandlungsfähigkeit. Du wirst dazu allerdings dieses magische Störfeld aufheben müssen, das du über das Camp gelegt hast.«
Taurak lachte leise.
»Ich sehe - du hast immer noch nichts begriffen«, sagte er. »Dabei warst du doch so nah dran. Nein, du überschätzt mich und meine Künste. Ich habe mit dem Störfeld nichts zu schaffen. Ich weiß wohl, daß es existiert, und daß es meinen Zauber nicht berührt, weil es artverwandt ist. Aber ich habe es nicht errichtet. Ich bin auch nicht der Wolf, für den du mich hältst.«
»Gib es doch auf«, sagte Nicole. »Du kannst dich nicht mehr aus der Schlinge reden. Die Zeit des Bluffens und Täuschens ist vorbei.«
»Ja?« fragte Taurak. Er bearbeitete seinen Speckstein wieder mit einer Feile. Staub rieselte auf die Tischplatte. Der Stein nahm mehr und mehr die Umrisse eines Hundekopfes an.
»Wenn du einsichtig bist, können wir sicher zu einer akzeptablen Lösung kommen«, sagte Nicole. »Ein Nachtwesen muß nicht unbedingt ausgelöscht werden, ein Gespenst nicht unbedingt vernichtet. Man kann es befreien. Es gibt Möglichkeiten, Flüche aufzuheben…«
»Närrin«, sagte Taurak. »Du wendest dich an den falschen.«
»Ich verstehe nicht, warum du immer noch hartnäckig darauf beharrst«, sagte sie. »Ich habe dich heulen gehört, und ich habe dich gesehen, wie du in Alanas Garderobe gingst und wieder
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