0364 - Shimadas Höllenschloß
auch nicht mehr lange dauern, denn ich hatte das Höllenschloß erreicht.
Es wuchs wie ein gewaltiges Monument in die Nebelwand hinein, als wollte es den Himmel küssen. Umwabert von blauen Schwaden, die an den Mauern hochkrochen. Fenster oder Öffnungen sah ich nicht, auch keinen Eingang, so daß mir nichts anderes übrigblieb, als ihn zu suchen.
Ich lief um das Schloß herum. Jeder Schritt war ein Abenteuer, denn die Festung konnte ich mit den Gesetzen der Physik kaum nachvollziehen. Sie veränderte sich, sie war nie gleich, ich sah siewachsen, kleiner werden, in die Breite drängen und gleichzeitig auch in die Höhe stoßen.
Vorgänge, die mich faszinierten und mir gleichzeitig bewiesen, daß dieses Gebäude prall mit einer fremden Magie gefüllt war.
Keine Türen, keine Fenster. Nur das Mauerwerk, das sich bewegte, ächzte und stöhnte. Manchmal flammte es auch an gewissen Stellen rot auf, dann wieder vernahm ich ein Knacken oder dumpfes Poltern aus dem Innern des Höllenschlosses.
Allmählich wurde ich sauer, denn ich konnte hier nicht ewig meine Runden drehen. Ich wollte ins Schloß. Vielleicht hätten mir die Vögel den Weg zeigen können. Sie hielten sich jedoch zurück.
Dann hatte ich Glück.
Tatsächlich erreichte ich das Tor, den Eingang zur Festung. Sehr hoch, sehr breit und düster. Dazu noch offenstehend.
Es herrschte die Ruhe vor dem Sturm. Ich wurde entsprechend vorsichtig und schaute, bevor ich die Burg betrat, zunächst einmal hinein.
Dort bewegte sich etwas. Ein Schieben und Knarren, ein Ächzen und Splittern war zu hören, manchmal auch dumpfe Laute, als würde innerhalb der Festung etwas verändert.
Vielleicht war dem auch so. Jedenfalls wollte ich es herausfinden und überwand meine Beklemmung, als ich das Schloß betrat.
Es nahm mich auf.
Zwar wurde ich nicht direkt angesaugt, ein ähnliches Gefühl bekam ich schon, als ich in die Dunkelheit hineinschritt, die sich vor meinen Augen ballte und bewegte.
In der Festung tat sich etwas. Hier waren Kräfte freigeworden, die ich noch nicht erfassen konnte. Irgendwo im Hintergrund lauerten sie, um zuschlagen zu können.
Ich spürte auf dem Rücken das Gefühl der Warnung, als es kalt nach unten rann. Jeden Augenblick konnte ich mit dem Angriff rechnen. Zu sehen war nichts, deshalb holte ich meine kleine Lampe hervor, um mich in ihrem dünnen Strahl zu orientieren.
Viel sah ich nicht. Was ich erkannte, ließ mich nicht eben munterer werden. Vor mir bewegte sich eine Wand. Sie schob sich praktisch von links nach rechts an mir vorbei, dabei war sie weder nackt noch glatt, in ihr sah ich Gesichter. Fratzenhaft und bleich. Angst hatte sich über die Züge gelegt, und sie verschwanden ebenso rasch, wie sie aufgetaucht waren.
Ein Spiel?
Möglich. Aber ein gefährliches. Wie in der Geisterbahn kam ich mir vor, nur wurde ich nicht gefahren, sondern nahm mein Schicksal selbst in die Hand. Ich drehte mich um.
Vor den Gesichtern hatte ich mich nicht gefürchtet, vor den Vögeln auch nicht, dem Drachen ja. Was ich nun zu sehen bekam, machte mir Angst. Ich stand in Shimadas Höllenschloß und hatte das Gefühl, gleichzeitig woanders zu sein.
Vor mir lag ein langer Gang.
Ich sah ihn dort, wo auch der Eingang liegen mußte. Nur war er plötzlich meilenweit entfernt. Klar und scharf blickte ich in eine Helligkeit hinein, die aus Schatten zu bestehen schien, denn es war kein natürliches Licht, das diesen seltsamen Gang ausfüllte.
Ein Gang in die Unendlichkeit. Ohne Grenzen, ohne Abtrennungen, so kam er mir vor. Wenn er so weiterlief, schien er direkt in den Kreislauf der Sterne zu münden.
Ich war fasziniert und bestürzt zugleich.
Natürlich dachte ich auch darüber nach und kam zu dem Entschluß, daß Shimada in seinem Schloß möglicherweise mit Illusionen arbeitete, die sehr gefährlich werden konnten.
War der Gang echt, war er es nicht? Hatte man ihn durch Spiegel künstlich verlängert?
Diese Antwort wollte ich gern haben und machte mich auf den Weg. Ich brauchte nicht weit zu gehen, um den Gang zu erreichen, aber ich hatte das Gefühl, überhaupt nicht voranzukommen, die andere Magie war stärker, sie wollte mich mit Haut und Haaren schlucken.
Schwebend und federnd kamen mir meine Bewegungen vor. Unnatürlich, so wie meine Umgebung.
Den Blick hielt ich auf das Ende des Ganges gerichtet, und dort zeichnete sich etwas ab.
Gestalten!
Eine der beiden konnte ich zumindest identifizieren. Es war Yakup Yalcinkaya, der mir seinen Rücken
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