0368 - Der Henker kam nach 20 Jahren
dagegen unternehmen.«
»Warum nicht?«
»Weil er verteidigungsunfähig war, als er erschossen wurde. Er ist mißhandelt worden. Nach der Zahl seiner Verletzungen zu urteilen, muß er schon ziemlich erledigt gewesen sein, als sie ihn umbrachten.«
Ich biß mir auf die Unterlippe. Ich hatte Herbert Stock gewarnt, aber er hatte die Warnung in den Wind geschlagen. Er mußte an üble Burschen geraten sein, an Gangster, die vor Mord nicht zurückschreckten.
Ich wandte mich an den Inspektor.
»Haben Sie außer dem Zettel mit meinem Namen etwas von Bedeutung in seinen Taschen gefunden?«
»Seinen Entlassungsschein. Er wurde vor genau einer Woche aus dem Staatsgefängnis in Suffolk entlassen.«
»Kein Hinweis darauf, wo er sich in der Woche seit seiner Entlassung herumgetrieben hat.«
»Wir fanden eine Quittung des Drix-Hotels, Prince Street 38. Er bezahlte dort ein Zimmer für eine Woche im voraus.«
»Seine Mörder haben sich nicht die Mühe gemacht, seine Taschen auszuräumen?« Bannister schüttelte den mächtigen Schädel.
»Jedenfalls versuchten die Mörder, etwas von ihm zu erfahren«, sagte ich. »Aus diesem Grunde haben sie ihn gefoltert.«
»Sagten Sie nicht, daß er ein kleiner Gauner war? Was kann er gewußt haben?«
Ich zuckte die Achseln.
***
Während Phil und ich nach Manhattan zurückfuhren, um das Hotel in der Prince Street aufzusuchen, berichtete ich meinem Freund von Stocks Besuch.
»Er wollte wissen, wieviel Belohnung jemand erhält, der eine Gangsterbeute wiederbeschafft. Aber er war nicht bereit, mir Einzelheiten zu erzählen. Ich nahm ihn nicht ernst.«
»Andere Leute haben ihn ernst genommen, so ernst, daß sie ihn folterten und schließlich töteten.«
»Das beweist noch nicht, daß er wirklich etwas zu erzählen hatte.«
»Er kann sich seine Story nicht völlig aus den Fingern gesogen haben. Irgendeinen Anhaltspunkt muß er gehabt haben. Aber woher? Er kam frisch aus dem Gefängnis.«
»Vielleicht brachte er von dort seinen Anhaltspunkt mit«, antwortete ich. »Neun von zehn gefaßten und verurteilten Ganoven erzählen sich gegenseitig, sie wären zwar geschnappt worden, aber die Polizei hätte nicht einen Cent von der Beute ans Licht bringen können. Die Ganoven protzen damit, daß sie die Beute sicher versteckt hätten und daß sie nach der Entlassung hingehen und einsammeln könnten. Fast alle diese Erzählungen sind erlogen. Es ist die Art, in der geschnappte Gangster sich darüber hinwegtrösten, daß sie gefaßt wurden. Sie wollen die Niederlage, die Gefangennahme und Verurteilung in ihren Augen bedeutet, nicht zugeben. Da sie nicht abstreiten können, im Gefängnis zu sitzen, behaupten sie, ihr Unternehmen habe sich doch gelohnt, und sie behaupten es so lange, bis sie selbst daran glauben. Hin und wieder glauben sogar ihre Zuhörer daran, und Stock scheint an eine solche Story geglaubt zu haben.«
Wir erreichten die Prince Street. Es ist keine Straße, auf die New Yorks Stadtverwaltung stolz sein könnte. Nummer 37 war ein schmales Haus, das abbruchreif aussah. Ein verwaschenes Schild über dem Eingang versprach: Gute Zimmer! Gepflegtes Essen! Drix-Hotel! Durchgehend geöffnet. Wir betraten den Laden. Ein Mann in Hemdsärmeln saß in einem wackeligen Korbstuhl und stocherte in den Zähnen. »Zimmer?« fragte er.
Phil zückte seinen FBI.-Ausweis und hielt ihn dem Kerl unter die Nase.
»Bei Ihnen hat ein Herbert Stock gewohnt?«
»Ein langer Bursche mit zuckendem Gesicht?«
»Richtig.«
»Er ist seit zwei Tagen nicht hier aufgetaucht. Seine Klamotten stehen noch in dem Zimmer.«
»Erzählen Sie uns, mit wem Stock hier zusammengetroffen ist.«
»Mit niemandem! Er schien mir ein zurückhaltender Bursche zu sein. Saß nur immer hier herum und zuckte mit dem Gesicht.«
»Sprach er mit niemandem?«
»Doch, an einem Abertd brach George Brommy hier ’ner Flasche Whisky den Hals. Dieser Stock saß in ’ner Ecke. George keilte ihn an und gab ihm zu trinken. Stock war schließlich so erledigt, daß wir ihn ’raufschleifen mußten. Übrigens, als er blau war, zuckte sein Gesicht überhaupt nicht.«
»Haben Sie gehört, worüber die beiden sprachen!«
»Fragen Sie doch Brommy! Sie finden ihn in seinem Zimmer. Um diese Zeit schläft er noch.«
Viel Diskretion gab es im Drix-Hotel nicht. Der Besitzer führte uns hinauf und stieß die Tür zum Zimmer dieses George Brommy kurzerhand auf.
»He, wach auf, George! Besuch für dich!«
Im Bett fuhr ein schwarzhaariger,
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