037 - Die Kamikaze-Monster
dem Zahnarzt einen derben Stoß. Wim Wissney landete im Behandlungsstuhl. Der Bursche, der offensichtlich das Sagen hatte, lachte und griff nach dem Bohrer.
»Nun mach mal schön den Mund auf, Doktorchen.«
Wissney wurde blaß. Er preßte die Lippen zusammen, während ihm der kreischende, pfeifende Bohrer immer näher kam. Obwohl ihm dieses Geräusch, das die mutigsten Männer schwach werden läßt, vertraut war, jagten jetzt doch eiskalte Schauer über seinen Rücken.
»Was sagt man dazu? Jetzt hat er die Hosen voll. Es ist leichter, andere zu quälen, als selbst auf diesem Marterstuhl zu sitzen, was?«
Wim Wissney hatte noch nie ein Hehl daraus gemacht, daß auch er Angst vorm Zahnarzt hatte. Auch er kam nicht darum herum, von Zeit zu Zeit die Praxis eines seiner Kollegen aufzusuchen. Auch ihm stand der Schweiß auf der Stirn, wenn’s mit dem Bohren losging.
Aber es mußte sein. Er konnte schließlich nicht mit verfaulten Zähnen seine Patienten behandeln…
»Na schön, wenn du den Mund nicht aufmachst, bohr’ ich durch die Wange«, sagte der Maskierte.
Wissney riß die Augen auf. Der zweite Maskierte packte ihn und hielt ihn fest. Kraftvoll drückte ihn der Mann in den Behandlungsstuhl. Dem Arzt blieb die Luft weg.
Starr war sein Blick auf den Bohrer gerichtet, der nur noch wenige Millimeter von seiner Wange entfernt rotierte. Gleich würde er die Haut berühren.
»Ist Angst nicht etwas Wunderbares?« fragte der Maskierte. »Man fühlt sich so erleichtert, wenn sie zu Ende ist.«
»Was… Was wollen Sie von mir? Warum tun Sie das?« keuchte Wissney. »Sie müssen dafür doch einen Grund haben.«
»Wir befriedigen nur unseren Spieltrieb«, sagte der Kerl und lachte, nahm die Hand mit dem Bohrer zurück, und das nervtötende Pfeifen hörte auf.
Für einen Augenblick herrschte Stille. Grabesstille.
»Wer sind Sie?« fragte Wim Wissney heiser.
»Freunde der Menschheit«, behauptete der Maskierte, und das war wohl der größte Witz.
»Was hat dieses Emblem auf Ihrer Brust zu bedeuten?«
»PK! Sieh es dir gut an!« sagte der Mann. »PK! Es wird noch viel von sich reden machen!« Er wandte sich an seinen schweigsamen Komplizen. »Feßle ihn!«
Der andere Maskierte zog eine solide, rote Nylonschnur aus der Tasche und band dem Arzt Hände und Füße zusammen. Mit einer zweiten Schnur fesselte er den Zahnarzt auf den Behandlungsstuhl.
Damit Dr. Wissney nicht um Hilfe rufen konnte, wurde ihm der Mund mit einem breiten Pflasterstreifen zugeklebt.
Die Maskierten steckten ihre Revolver ein.
»Das war’s dann«, sagte der Sprecher. »Jetzt kannst du mal testen, wie bequem der Behandlungsstuhl ist. Viel Vergnügen.«
Die Kerle gingen, ließen Wim Wissney allein in seiner Praxis zurück. Der Arzt sah keinen Sinn in diesem Überfall. Er hatte dafür nur eine Erklärung: Die beiden mußten verrückt sein.
Entsprungene Irre.
Aber das waren sie nicht.
***
Diese Zahnschmerzen.
Oh, diese verfluchten, bohrenden, ziehenden, pochenden Zahnschmerzen. Sie konnten einen Mann ganz schön fertigmachen. Der Parapsychologe Lance Selby war nahe daran, die Wände hochzugehen.
Er war allein zu Hause. Oda, seine rothaarige Freundin – eine weiße Hexe –, besorgte sich gerade in der städtischen Leihbücherei neuen Lesestoff.
Für 19 Uhr waren sie verabredet. Lance hatte durch einen glücklichen Zufall Karten für ein Open-air-Konzert aufgetrieben, obwohl die Veranstaltung eigentlich schon seit Wochen ausverkauft war.
Und nun diese rasenden Zahnschmerzen. Lance Selby rannte wie ein gereizter Tiger hin und her. Noch nie hatte er so furchtbare Schmerzen gehabt.
Ganz plötzlich hatten sie eingesetzt. Schlagartig. Dabei war Lances Gebiß mit Sicherheit in Ordnung. Er ließ es viermal jährlich von Dr. Wim Wissney kontrollieren.
Auf seine Zähne war Lance Selby stolz. Er putzte sie zweimal täglich, und nachdem er Süßigkeiten gegessen hatte, sogar noch mal zwischendurch. Deshalb konnte er nicht begreifen, wieso ihn auf einmal so heftige Schmerzen plagten.
Er spülte mit Kamillentee, rieb das Zahnfleisch mit Zitronensaft ein – nichts half.
»Irgend etwas muß mit diesen verdammten Kaugummis nicht in Ordnung gewesen sein«, stöhnte der Parapsychologe.
Vor einer halben Stunde hatte ein junger Mann an der Tür geschellt.
»Professor Lance Selby?« fragte er.
»Steht vor Ihnen«, antwortete der Parapsychologe lächelnd.
»Ich bin Student, Sir…«
»Welche Fakultät?«
»Medizin. – Da meine Eltern mit
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