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037 - Die seltsame Gräfin

037 - Die seltsame Gräfin

Titel: 037 - Die seltsame Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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tiefe Sessel vor dem Kamin. Radierungen hingen an den geschmackvoll getönten Wänden. In einer Nische stand ein Bücherschrank.
    »Ich komme aus einem sehr ernsten Anlaß, Mr. Dorn.«
    »Es tut mir leid, das zu hören«, antwortete er und schob den bequemen Sessel für sie zurecht.
    »Ich möchte mich nicht setzen, danke schön. Gestern abend sandten Sie mir eine Bonbonniere mit Schokolade. Ich kann wohl verstehen, daß Sie das in guter Absicht taten, aber ich denke, ich hätte Ihnen klar genug gesagt, daß ich Ihre Bekanntschaft nicht wünsche. Ich danke Ihnen vielmals für alles, was Sie für mich getan haben«, fuhr sie zusammenhanglos fort, »aber -« Sie machte eine Pause.
    »Aber?« wiederholte er.
    »Sie haben sich mir gegenüber ganz abscheulich betragen!« Sie wurde rot. »Mir Schokolade zu schicken, war schon eine Unverschämtheit, aber in meine Wohnung einzudringen, war ein Verbrechen! Ich bin hierhergekommen, um Ihnen zu sagen, daß ich mich an die Polizei wenden werde, wenn Sie mich jetzt nicht in Ruhe lassen!«
    Er lehnte am Tisch und spielte mit einem langen, spitzen Dolch, der offensichtlich als Brieföffner diente.
    »Sie sagten eben, daß ich in Ihre Wohnung eingedrungen sei - wie kommen Sie darauf?«
    »Ich habe Sie erkannt! Sie kamen, um die Bonbonniere wiederzuholen. Aber die Mühe hätten Sie sich sparen können - ich hätte sie Ihnen heute morgen sowieso zurückgeschickt.«
    Zu ihrem Erstaunen leugnete er nicht, daß er in ihrem Zimmer gewesen war, er gab es sogar offen zu.
    »Hätte ich das gewußt, dann wäre ich wahrhaftig nicht in der Nacht gekommen«, sagte er mit einer Ruhe, die sie vollständig fassungslos machte. »Mein Verhalten mag in Ihren Augen unentschuldbar sein, aber die Erklärung dafür ist sehr einfach. Bis Viertel nach eins wußte ich nämlich gar nicht, daß Sie die Schokolade erhalten hatten.«
    Er ging quer durch das Zimmer, zog eine Schublade auf und nahm die Bonbonniere heraus.
    »Das ist sie doch?«
    Sie war über seine Kühnheit so verblüfft, daß sie nicht sprechen konnte. Er legte die Bonbonniere in den Schrank zurück.
    »Ich habe Ihre Intelligenz unterschätzt, Miss Reddle. Leider habe ich allzu häufig in meinem Leben die Begabung der Frauen zu leicht genommen.«
    »Ich kann Sie nicht verstehen«, sagte sie hilflos. »Ich wollte Ihnen doch nur sagen -«
    »Sie wollten mir sagen, daß Sie die Polizei benachrichtigen würden, wenn sich so etwas wiederholt«, vollendete er. »Das wäre auch vollständig in Ordnung. Wann werden Sie Ihre neue Stellung antreten?«
    »Am Montag.« Sie war über sich selbst verwundert, daß sie ihm das sagte. Aber dann erinnerte sie sich daran, daß der Zweck ihres Herkommens nicht darin bestand, ihm über ihr Tun und Lassen Auskunft zu geben, und sie ging zur Tür. »Sie leugnen also nicht, daß Sie in meiner Wohnung waren?«
    »Nein - warum sollte ich das tun? Sie sahen mich doch. Durch den Lichtschein meiner Lampe weckte ich sie auf. Das tut mir sehr leid; wenn ich nicht diesen dummen Fehler gemacht hätte, würden Sie es gar nicht gemerkt haben.«
    Sie starrte ihn entsetzt an.
    »Sie geben zu, daß Sie bei mir waren?« fragte sie ihn, und ihr Erstaunen wuchs, als sie sich plötzlich darüber klar wurde, wie groß eigentlich sein Vergehen war. »Wie konnten Sie das tun, Mr. Dorn?«
    »Es ist viel leichter für mich, einen Fehler zuzugeben, als ihn durch Lügen zu beschönigen«, sagte er kühl. »Selbst Sie werden mir wegen meiner Offenheit Glauben schenken müssen.«
    Er begleitete sie zur Treppe und klingelte nach dem Fahrstuhl.
    »Sie müssen Ihre Tür zuschließen, Miss Reddle«, sagte er, »ganz gleich, wo Sie sind. Selbst in dem Palais der Gräfin von Moron - Sie müssen Ihre Tür immer verschlossen halten.«
    Er schaute den Fahrstuhlschacht hinunter und sah, daß der Lift nicht nach oben kam. Der Mann, der ihn bediente, hatte das Gebäude verlassen und sein Klingelzeichen nicht gehört.
    »Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich Ihrer Mutter nicht schreiben. Sie würden falsche Hoffnungen erwecken - sie ist jetzt ruhig und ausgeglichen. Der Gedanke, daß Sie leben und alles wissen, könnte den schwachen Lebensfaden zerreißen, der sie all die Jahre aufrechterhalten hat.«
    »Woher wissen Sie das?« fragte sie atemlos und schaute ihn entsetzt an.
    Man hörte das leise Geräusch des sich nähernden Fahrstuhls.
    »Ich würde an Ihrer Stelle wirklich nicht schreiben«, sagte er mit einem Lächeln und geleitete dann das

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