037 - Quellen der Lust + Die Mätresse des Prinzen
so schnell wie möglich, bevor Bertie die ersten Gerüchte zu Ohren kamen.
Plötzlich hatte er einen Geistesblitz. Familie. Das war es, was den St. Lawrences am wichtigsten war. Jacks ältester Bruder Jared lebte etwas außerhalb, westlich von London.
Wenn er sich bei Tagesanbruch auf den Weg machte, könnte er mittags dort sein.
Wenn sie erst einmal verheiratet waren, müsste er für alle diese Rechnungen aufkommen, dachte Jack am nächsten Morgen beim Schneider. Mariah erkundigte sich gerade nach dem Fortschritt ihrer üppigen Bestellungen. Dies war ein ernüchternder, ja, ein beunruhigender Gedanke angesichts der Tatsache, dass seine Familie ihn wahrscheinlich enterben würde. Doch der Anblick ihres beglückten Lächelns, als sie im Ankleideraum verschwand, vertrieb diese Gedanken und am liebsten wäre er ihr gefolgt, um sich gleich dort wieder auf sie zu stürzen.
Seine Leidenschaft erhielt einen Dämpfer, als er Mercys vorwurfsvollem Blick begegnete. Die alte Dienerin sah ihn an, als sei ihm ein zweiter Kopf gewachsen.
Irgendetwas lag der Magd auf der Seele. Er versuchte, sie nicht weiter zu beachten, doch sie ließ die Reisetasche fallen, die sie überall mit hinschleppte, und ein Fingerhut rollte hinaus und über den gebohnerten Boden. Seine gute Erziehung und seine Gewissenhaftigkeit brachten ihn dazu, ihn aufzuheben – und er fand sich ihr von Angesicht zu Angesicht gegenüber.
„Glauben Sie bloß nicht, dass es Ihnen nicht ins Gesicht geschrieben steht“, flüsterte sie finster.
„Was steht mir ins Gesicht geschrieben?“ Er war noch immer der Annahme, dass sie es nicht wagen würde, das intime Thema, das auch ihn beschäftigte, anzusprechen.
„Wie Sie die letzte Nacht verbracht haben.“ Sie sah nun zum Eingang des Ankleideraums hinüber. „Ich bin nicht blind. Ich habe bloß einen Hexenschuss.“
Nachdem sie eine Woche lang auf engstem Raum mit ihr höhergestellten Personen gereist war, hatte Mercy offensichtlich jedes Gefühl für gebührenden Abstand und Respekt verloren.
„Wie ich die Nacht verbracht habe?“ Er erstarrte und umklammerte den Griff seines Spazierstocks. „Ich habe fast bis Mitternacht in Stephens’ Fabrik gearbeitet.“
„Ich habe Sie beide im Flur gehört.“
„Ich weiß nicht, wovon Sie reden.“
„Schämen Sie sich, Sir. Sie ist eine anständige Frau, die wegen ihrer Geldsorgen wieder heiraten muss.“ Sie straffte die Schultern und sah aus, als habe sie in eine saure Zitrone gebissen. „Wollen Sie vielleicht, dass Sie mit dickem Bauch vor den Altar treten muss?“
„Das ist doch lächerlich.“ Er fühlte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich. Mit dickem Bauch?
„Jedenfalls ist es so klar wie dicke Tinte. Sie strahlen beide von einem Ohr zum anderen.“
„Das verbitte ich mir!“ Er sah Mercy mit dem Blick an, der ihm bisher noch immer dabei geholfen hatte, Dienstboten zurechtzuweisen.
„Heiraten Sie das Mädel, Sir. Damit sie eine ehrbare Frau bleibt“, sagte sie scharf.
„Oder kümmern Sie sich selbst um Ihr bestes Stück.“
Jack erstarrte. Ihre Aufforderung klang ihm laut in den Ohren, und er sagte sich, dass er ihre darauffolgende Äußerung falsch verstanden haben musste. Damit sie eine ehrbare Frau bleibt.
Heiraten Sie das Mädel, Sir .
Ein schrecklicher Misston begleitete diese Worte, die zum ersten Mal von jemand Außenstehendem ausgesprochen wurden.
Das unbarmherzige Licht der Logik und Vernunft fiel auf die süße, irrationale Hoffnung in seinem Herzen.
Mariah heiraten? Alles in seinem Leben sprach dagegen. Seine Familie erwartete, dass er dank Berties Gunst und Einfluss eine vorteilhafte Ehe eingehen würde. Doch er hatte die spezielle Mission, die Bertie ihm aufgetragen hatte, nicht erfüllt. Noch schlimmer: er selbst hatte sich mit Berties Auserwählter vergnügt. Schon mehrmals hatte er mit eigenen Augen gesehen, wie Männer und Familien, die dem Prinzen nicht den gebührenden Respekt gezollt hatten, in Ungnade fielen. Es graute ihm davor, sich das ganze Ausmaß der königlichen Wut vorzustellen, wenn der Thronfolger erfuhr, dass Jack die Frau geheiratet hatte, die er zu seiner Mätresse auserkoren hatte.
Die rosigen Aussichten, die er sich eben noch ausgemalt hatte, hatten sich plötzlich verdunkelt.
Niemals könnte er sowohl Mariah als auch die Gunst des Prinzen behalten.
17. KAPITEL
Mariah kam in einem noch mit Nadeln zusammengesteckten blauen Satin-Abendkleid, das ihre Figur spektakulär zur Geltung brachte, hinter
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