037 - Quellen der Lust + Die Mätresse des Prinzen
der spanischen Wand hervor. Sie drehte sich um ihre eigene Achse und hielt dabei die Schleppe des Kleids hoch, als tanze sie einen Walzer.
„Was sagt ihr?“ Sie blieb vor ihnen stehen.
„Wie ein Engel, Miss.“ Mercy strahlte sie bewundernd an.
„Da fehlt noch etwas Stoff.“ Jack starrte auf ihr tiefes Dekolleté. „ Viel mehr.“
Sie lachte, und ihre Augen sprühten verschmitzt.
„Nun, ich weiß aus sicherer Quelle, dass dieser Stil für ehrenhafte Damen, die elegante Restaurants und die Oper besuchen, de rigueur ist.“
„Schon mal in einer Oper gewesen?“, fragte er mit übertriebener Abneigung. „Dem Publikum sollte es eigentlich erlaubt sein, Schlafhauben und Nachthemden zu tragen.“
Sie brach in lautes Lachen aus und hielt dabei die Taille ihres Abendkleids fest, als habe sie Angst, die provisorische Naht würde nicht halten. Er stimmte mit ein, wie auch einen Augenblick später Mercy, die jedoch nicht recht zu verstehen schien, worüber sie eigentlich lachte. Als sie sich wieder beruhigt hatten, warf Mariah ihm ein liebevolles Lächeln zu.
Sie konnte sich nicht daran erinnern, sich jemals so gut gefühlt zu haben oder jemandes Gesellschaft so sehr genossen zu haben wie Jacks. Ständig überraschte er sie mit witzigen Kommentaren über die feine Gesellschaft Londons. Er vereinte in sich ein lebhaftes Interesse für die unterschiedlichsten Dinge mit einem oftmals erstaunlich rebellischen Blickwinkel. Das Resultat war, dass er mit inneren Widersprüchen zu kämpfen hatte, die ihn wieder und wieder in Verlegenheit brachten. Es kam ihr vor, als sei seine Angepasstheit nach außen hin der Preis, den er für die Freiheit seiner Gedanken und Gefühle bezahlt hatte.
Und sein Verlangen nach ihr war der extremste Ausdruck dieser inneren Gratwanderung. Wenn er sich und der Welt eingestand, dass er sie liebte, würde er das Risiko eingehen, die Vergünstigungen von Herkunft und sozialem Rang, die er sein ganzes Leben lang genossen hatte, zu verlieren. Um sie an seiner Seite zu haben, würde er sein komfortables, vorgezeichnetes Leben auf den Kopf stellen müssen.
Ist deine Liebe stark genug, Jack?, fragten ihre Augen ihn. Du bist in mein sicheres, beschütztes Leben getreten und hast es so gründlich durcheinander gebracht, dass ich nun mit dir leben, lieben und eine Familie gründen möchte. Aber bist auch du dazu bereit, dein sicheres, beschütztes Leben hinter dir zu lassen?
Sein sehnsüchtiges Seufzen minderte ihre Befürchtungen und Sorgen ein wenig. Das Einzige, was momentan zählte, war seine Gegenwart. War, ihn zu begehren und zu lieben. Sie hatten noch eine Woche. Sieben Tage. Vielleicht war sie selbstsüchtig, aber sie wollte jede einzelne Minute jedes einzelnen verbleibenden Tages mit ihm verbringen.
Nachdem sie Jack versprochen hatte, ihn in Harrods nicht stundenlang warten zu lassen, kaufte sie dort die exquisite Bettwäsche und die Kopfkissen, die ihr im Hotel so gut gefallen hatten. Das Kaufhaus war elegant und überwältigend, und sie bewunderte die bis zur Decke vollgepackten Regale mit ausgewählten Lebensmitteln, feinstem Porzellan, Figurinen, Kleidern, diversen neuen Erfindungen und Haushaltsgegenständen jeglicher Art und Beschreibung.
Den Rest des Tages verbrachten sie damit, in einer Kutsche weitere Sehenswürdigkeiten Londons zu besichtigen: Hyde Park, den Kristallpalast der Weltausstellung und als Zugabe Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett. Mercy benötigte nach dem Besuch des Gruselkabinetts eine Dosis Riechsalz und weigerte sich, die Besichtigung fortzusetzen. Mariah und Jack begleiteten sie zu einer Bank in der Eingangshalle und gingen alleine weiter durch die Ausstellung – händchenhaltend und lachend, sobald sie aus Mercys Blickfeld waren.
Zurück im Hotel entschuldigte sich Jack während des Nachmittagstees, sprach eine Weile mit dem Concierge und kam zurück zu ihrem Tisch, um anzukünden, dass er Karten für ein Konzert in der Royal Albert Hall reserviert hatte. Mariah brachte keinen Ton heraus, als sie auf die Tickets starrte, die er ihr präsentierte, und strahlte ihn dann glücklich an.
„Ich weiß doch, wie sehr Sie Musik mögen“, sagte er trocken.
„In der Tat.“ Sie lächelte. „Ein Konzert in der Royal Albert Hall!“ Doch eine neue Sorge befiel sie. „Ich habe aber gar nichts Passendes anzuziehen.“
„Ein einigermaßen elegantes Kleid ist völlig ausreichend. Es ist einfach ein großer Saal, in dem nicht die gleichen Zwänge wie in der Oper
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