037 - Quellen der Lust + Die Mätresse des Prinzen
ihnen zunichte. Sie sprangen auseinander und sahen sich nach dem Störenfried um.
„Du bist es tatsächlich!“ Ein vertrautes Gesicht tauchte inmitten der anderen Besucher in der Galerie auf. „Ich dachte, du wärst irgendwo auf dem Land und würdest Moos ansetzen.“
Der modisch gekleidete und elegante Mann, den Mariah in ihrem Gasthaus als Jack A. Dandy beherbergt hatte, stand jetzt mit breitem, selbstsicherem Lächeln vor ihnen und streckte Jack die Hand entgegen. Sie unterdrückte das Bedürfnis, ihre noch immer prickelnden Lippen zu verbergen und ihre Kleidung zu richten.
„Cranmer. Was für ein Zufall.“ Jack verschanzte sich hinter seiner üblichen Reserviertheit. „Ich wusste gar nicht, dass du ein Musikliebhaber bist.“
„Ach, du weißt ja, wie es ist.“ Der vornehme Earl grinste und deutete mit dem Kopf hinter sich, auf eine Gruppe mehrerer Männer, die um eine beleibte Figur in dunklem Anzug versammelt standen. „Wenn er irgendwohin will, müssen wir mit.“
Mariah blieb fast das Herz stehen, als sie auf den Mann im Mittelpunkt der Gruppe blickte. Er war von durchschnittlicher Größe, stattlichem Umfang und hatte einen kurzgeschorenen Spitzbart, an den sie sich nur allzu gut erinnerte.
„ St. Lawrence ?“ Nun hatte der Prinz ihn entdeckt.
Der Thronerbe und seine Begleiter kamen durch die Galerie auf sie zu. Ihr erster Impuls war, Jacks Hand zu nehmen und um ihr Leben zu rennen. Doch Jack stand wie festgewurzelt neben ihr und streckte die Hand nach ihr aus. Er schaffte es gerade noch, ihre Finger kurz zu drücken, bevor der Prinz und seine Männer bei ihnen angelangt waren.
„Und da ist ja auch Mrs. Eller. Was für eine angenehme Überraschung!“ Berties Gesicht leuchtete auf, als er beide Hände nach ihr ausstreckte. Sie legte ihre Hand zwischen die seinen und knickste. „Lassen Sie sich anschauen – noch hübscher, als ich Sie in Erinnerung habe. Was zum Teufel tun Sie hier in London?“ Die letzte Frage schien auch mit an Jack gerichtet zu sein, der stramm vor dem Prinzen stand.
Jack sah sie nicht an. Zu sehr war er nun auf den Thronfolger konzentriert.
„Besichtigen, Eure Hoheit, und Einkäufe erledigen“, antwortete Mariah an seiner Stelle. Ihr Gesicht schmerzte von der Anstrengung, die es sie kostete, den Prinzen anzulächeln.
„Und ich kümmere mich um eine gewisse juristische Angelegenheit“, fügte Jack hinzu.
„Herrgott, Sie sehen zum Anbeißen aus. Stimmt’s, Männer?“ Er sah sie an, als wolle er sie am liebsten an Ort und Stelle ausziehen. Enthusiastische Zustimmung klang aus den Reihen seiner adeligen Freunde, die er ihr nun vorstellte, und zu denen auch Jack Ketch, Jack Sprat und Jack A. Dandy gehörten.
„Was für eine umwerfende Frau du doch an deiner Seite hast, Jack.“
„Dessen bin ich mir bewusst, Eure Hoheit“, antwortete Jack. Mit versteinerter Miene machte er keine Anstalten, einzugreifen, als der Prinz ihre Hand auf seinen Arm legte, damit er sie bei den Hüften packen konnte. Doch dann sah sie ein vertrautes Zucken um Jacks Mund – und sah, wie er unwillkürlich die Hände zu Fäusten ballte.
Gordon Clapfords blutiges Gesicht kam ihr in Erinnerung, und schweren Herzens beugte sie sich ihrer Pflicht, versuchte jedoch, Zeit zu gewinnen.
„Nun, meine Liebe, ich hoffe, dass Ihnen unsere schöne Hauptstadt gefällt.“
Bestimmt schlüpfte sie wieder in die Rolle der weltgewandten Person, mit der sie den Prinzen bei ihrer ersten Begegnung um den Finger gewickelt hatte. Sie manövrierte ihren Arm zwischen sich und Berties Körper und verschaffte sich so etwas mehr Freiraum.
„Ich kann noch kein Urteil über die ganze Stadt fällen, Hoheit, da ich noch nicht alles gesehen habe. Aber von Harrods war ich hochbegeistert.“ Sie hoffte, ihre Augen funkelten. Ihr Plan schien aufzugehen, denn der Prinz und seine Kameraden hingen nun an ihren Lippen. „Wussten Sie, dass es dort Telefone gibt? Ich hatte noch nie eins gesehen. Und ein amerikanisches Grammophon, das aufgezeichnete Musik und politische Reden abspielt.“
„Politische Reden?“ Der Prinz lachte aus vollem Hals. „Ich kann nur hoffen, dass sich diese Mode nicht durchsetzt. Es wird heute schon in der Politik viel zu viel diskutiert.“
„Und heute Nachmittag haben wir Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett besucht. Was für eine aufregende Erfahrung! Meine Magd Mercy musste danach mit Riechsalz wiederbelebt werden.“
Abermals erntete sie Gelächter, was eine Erleichterung gewesen
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