038 - Bis die Ratten dich zerfetzen
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Biegung zu Ende war und daß sich eine Mauer aus lebenden Ratten auf sie
zuschob.
Helen schrie
leise auf, als ihr Fuß gegen etwas Weiches stieß. Eine Ratte! Sie huschte
zwischen ihren Beinen davon. Die Australierin zitterte.
»Das kann
passieren«, beruhigte Vormann sie. »Hin und wieder eine einzelne, das bringt
uns nicht in Gefahr .«
Mechanisch
folgte Helen dem Deutschen. Die Minuten, die bis zum Ausgang vergingen, kamen
ihr wie Stunden vor.
Sie hätte
eigentlich erstaunt sein müssen darüber, wie nahe in Wirklichkeit das Tor in
die Freiheit lag. Statt dessen war sie nur froh, das Labyrinth und die
Finsternis endlich hinter sich zu haben.
Die frische
Luft strich mild über ihr Gesicht. Sie roch die Nähe des tropischen Waldes,
hörte das leise Rauschen des Windes in den nahen Bäumen und konzentrierte sich
minutenlang auf die Schreie der Nachtvögel.
Helen genoß
die Ruhe und die frische Luft. Ohne ein Wort zu sagen, packte Jörg Vormann die
Reporterin am Armgelenk und zog sie mit sanfter Gewalt voran. Auch ihn
interessierte es brennend, wer der oder die Fremden waren, die Thare mit dem Hubschrauber angeflogen hatten. Das war mehr
als ungewöhnlich, und es wäre sträflicher Leichtsinn gewesen, dieser Sache
nicht auf den Grund zu gehen.
Sie näherten
sich der Baumgrenze. Von hier aus waren es nur noch drei Wegminuten bis ins
Dorf.
Vormann und
Helen Powell hielten sich ständig im Schutz der schwarzen Schatten, und der
Deutsche war zudem darauf bedacht, kein unnötiges Geräusch zu verursachen.
Jedem Stein, jedem lose herumliegenden Ast ging er aus dem Weg.
Dann standen
sie unmittelbar auf der Höhe der ersten Hütte. Vormann wies mit der
ausgestreckten Rechten den Pfad entlang, der sich in der Dunkelheit den Berg
hochschlängelte.
»Da oben
irgendwo lebt Sam, der Herr der Ratten«, sagte er heiser. »Ihm haben wir das
ganze Theater zu verdanken .«
Helen Powell
biß sich auf die Lippen und starrte hinauf in das Dunkel, konnte aber beim
besten Willen nichts wahrnehmen. »Ein bißchen still hier im Dorf«, murmelte
sie. »Wenn man bedenkt, daß Besuch gekommen ist - ich habe kein gutes Gefühl
dabei, Jörg !«
Vormann
erging es ebenso.
»Wir sehen
uns trotzdem mal um«, sagte er. »Wenn wir schon hier sind...«
Nach wenigen
weiteren Schritten sahen sie den plumpen Schatten, der wie ein bösartiges
Ungeheuer aussah und mitten auf dem stillen Dorfplatz hockte. Der Helikopter!
»Der Pilot
ist von den Eingeborenen sicher ebenso freundlich aufgenommen worden, wie das
auch bei uns der Fall war«, flüsterte Vormann angespannt. »Als Gast schläft er
in einem der Häuser und ahnt nicht, was für eine Gefahr ihn in Wirklichkeit
umgibt .«
»Das kommt
darauf an, wie er den Eingeborenen gegenübertrat .« Helen Powell dachte scharf nach. »Wenn er kam, um etwas herauszufinden, wird er
auf der Hut gewesen sein. Wir müßten uns bemerkbar machen«, schlug sie vor.
Doch davon
wollte Jörg nichts wissen. Geduckt lief er quer über den Dorfplatz, nachdem er
Helen dazu aufgefordert hatte, im Kernschatten des Hauses stehenzubleiben und
auf ihn zu warten. Der Deutsche wollte sich den Helikopter aus der Nähe
ansehen.
Vormann blieb keine drei Minuten.
»Der Apparat
kommt aus Viti Levu . Trägt
die Zeichen des britischen Gouverneurs auf der Insel. Hier geht etwas vor,
Helen, das uns weiterhilft .« Er sprach schnell.
Vormann war
aufgeregt. Mit blitzenden Augen blickte er sich um. In allen Häusern war es
dunkel und still.
Vormann und
Helen Powell wagten es, sich nahe an die Häuser heranzuschleichen, an Türen und
zum Teil offenstehenden Fenstern zu lauschen.
Nirgends ein
Gespräch.
»Man müßte
schreien«, sagte die Australierin unvermittelt. »Demjenigen, der mit dem
Helikopter hierherkam, muß gezeigt werden, daß wir hier sind. Dann wird man auf
uns aufmerksam .«
Sie seufzte.
Wie ein Panther schlich sie an den Hütten vorüber und passierte auch das Haus
der Familie, in dem sie untergebracht gewesen war. Sie ging um die Seite herum
und starrte durch das kleine Fenster in das Innere des Raumes.
Sie sah, daß
alles wieder so war, wie sie es bei ihrer Ankunft angetroffen hatte. Ihre
Gastgeber schienen die Australierin nicht einmal zu vermissen. Das Loch in der
Wand, durch das sie in den Berg gelangt war, war wieder verschlossen. Von
Vormann wußte Helen inzwischen, daß fast alle Hütten, die unmittelbar an die
Bergwand gebaut waren, diese Öffnungen in den Rückwänden hatten. Dies war so
etwas
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