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039 - Der Griff aus dem Nichts

039 - Der Griff aus dem Nichts

Titel: 039 - Der Griff aus dem Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Vlcek
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zögern das nächste Flugzeug bestiegen. In einem leichten Reisekoffer hatte er nur seine wichtigste persönliche Habe untergebracht.
    Und jetzt war er da. Er konnte es kaum mehr erwarten, Jeff gegenüberzutreten.
    Es war bereits Abend, als der Dual-Ghia über den Sunset Boulevard rollte, und Dorian war ganz benommen von den Lichtern der Neonreklamen und dem Plappern seiner Begleiterin. Er nahm es nur unterbewußt auf, daß der Wagen durch gewundene Prachtstraßen hügelaufwärts fuhr. Die Prunkvillen, an denen sie vorbeikamen und zu denen seiner Begleiterin sofort die Namen von berühmten Stars einfielen, beachtete er überhaupt nicht. Er war froh, als der Wagen endlich in eine Einfahrt einbog und vor einem hellerleuchteten Gebäude hielt.
    Dorian hätte nicht sagen können, welchem Baustil das Bauwerk nachempfunden war. Er sah nur weiße Wände von dunklen Edelhölzern unterbrochen und von Blütenranken überwuchert. Patios, Loggias, Erker, Fenster und ein Eingangsportal, das ihn an einen griechischen Tempel erinnerte.
    „Da wären wir“, sagte Lorna Blue in einem Ton, als hätte sie ihn durch die Himmelstür ins Paradies geführt. Sie stieg filmgerecht aus dem Wagen und ließ die Tür offen. „Um Ihr Gepäck brauchen Sie sich nicht zu kümmern. Das werden die Domestiken schon versorgen.“
    „Entschuldigen Sie, Sir“, sagte eine wohltönende Stimme hinter Dorian. „Wenn Sie Mr. Dorian Hunter sind, dann bitte ich Sie, mir zu folgen.“
    Neben Dorian war ein schwarzlivrierter Mexikaner aufgetaucht, der dem Aussehen nach eine Mischung aus Rudolph Valentino und Gregory Peck war. Dorian konnte nicht sagen, warum ihm ausgerechnet dieser Vergleich einfiel, aber er fand ihn recht passend.
    „Mr. Parker erwartet Sie bereits, Sir. Hier entlang, bitte!“
    Der Valentino-Peck-Adonis ging auf einen Seiteneingang des in sich verschachtelten Gebäudes zu. „Bis später!“ rief Lorna Blue, warf ihm eine Kußhand zu und verschwand durch das Hauptportal. Dorian kam im Fahrwasser des Domestiken in einen holzgetäfelten Korridor und von dort in eine holzgetäfelte Bibliothek, die auf antik getrimmt war. Es war alles stilgerecht, selbst der Globus aus Leder fehlte nicht, und auf einem Tisch stand das Modell des heliozentrischen Sonnensystems, wie es Kopernikus entworfen haben mochte. Dorian hätte sich nicht gewundert, wenn in diesem Augenblick Kopernikus selbst eingetreten wäre. Aber an seiner Stelle erschien ein Mann Ende der Dreißig in einem knallroten Blazer und einer schwarzen Strickhose. Er hatte einen schlanken, durchtrainierten Körper. Sein gebräuntes Jungengesicht mit den dunkelblauen Augen und dem blonden Haarschopf täuschte über sein Alter ebenso hinweg wie über seine psychischen Fähigkeiten. Trotz seiner beachtlichen Körpergröße von ein Meter vierundachtzig wirkte er neben Dorian klein und fast zierlich.
    „Dorian!“ rief er erfreut und breitete die Arme aus. „Welch eine Freude, daß du so schnell gekommen bist!“
    Sie schüttelten einander die Hände, dann ergriff der andere Dorian bei den Oberarmen und betrachtete ihn wie eine mystische Erscheinung.
    „Du hast dich nicht verändert. Warum trägst du immer noch diesen unvorteilhaften Schnurrbart? Ein scheußliches Ding! Wenn du mich fragst, ich würde ihn abrasieren. Die Mädchen hier mögen das nicht. In Hollywood sind Hippie- und Pop-Image passé.“
    Dorian lächelte. „Hollywood übt einen schlechten Einfluß auf dich aus, Jeff. Du hast dir die seichten Redensarten der Superlative angewöhnt, die man hier zu pflegen scheint.“
    „Man muß mit den Wölfen heulen. Schließlich mache ich einen Film. Einen Drink?“
    Als Dorian nickte, trug Jeff Parker dem Diener, der sich unauffällig im Hintergrund gehalten hatte, auf: „Zwei Whisky, Rudolpho. Einmal pur.“
    Der Mexikaner feixte. „Pur – so wie ihn alle Schotten mögen.“
    „Ich bin kein Schotte“, erklärte Dorian.
    „Entschuldigen Sie, Sir“, sagte der Mexikaner und machte einen Diener.
    „Rudolpho paßt zu ihm“, sagte Dorian, nachdem er den Drink an sich genommen hatte. „Er hat mich gleich von Anfang an, an Valentino erinnert.“
    „Sag ihm das besser nicht ins Gesicht. In dieser Beziehung versteht er nämlich keinen Spaß. In seinen Adern fließt das stolze Blut seiner spanischen Vorfahren. Aber er ist in Ordnung. Wenn du ausgetrunken hast, gehst du besser auf dein Zimmer, um dich frisch zu machen. Vor dir liegt eine lange Nacht.“
    Jeff zwinkerte ihm zu.
    Dorian

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