0397 - Ein Duft von Tod und Grauen
nicht auf die Idee, mich nach Hause zu schicken«, sagte sie. »Ich bleibe bis zum bitteren Ende, John.«
»Davon hat keiner geredet.«
»Ah – ich kenne dich.« Sheila hob den Zeigefinger und winkte damit. Sie hatte sich auch umgezogen, trug ein elegantes rotes Cocktailkleid aus dünnem Stoff, der in mehreren Bahnen übereinanderlag und in Höhe des Halses einen luftigen Schal bildete.
Man konnte uns zwar nicht sofort sehen, dafür hatten wir einen besseren Blickwinkel, denn die Halle und auch der Eingang zum Saal war gut zu überschauen.
Einmal wirbelte T.U. im weinroten Samtsmoking vorbei. Der Modeschöpfer machte schon jetzt einen aufgelösten Eindruck. Er sprach mit sich selbst, als wollte er sich anfeuern, alles schnell über die Runden zu bringen.
Die Zuschauer, die Pressefritzen und auch die Fachkollegen tröpfelten ein. Wer den Raum betrat, bekam einen Cocktail gereicht.
Hotelpagen hielten die Tabletts in den Händen, auf denen langstielige Champagnergläser standen.
Da die Luft sehr trocken war, hatten die Leute den entsprechenden Durst. So mußte mehr als einmal Nachschub geholt werden. Die meisten kannten sich auch. Ein jeder Neuankömmling wurde überschwenglich begrüßt, als wäre, er der beste Freund. Nur einen weiteren Vertreter von Dark Mysterie sah ich nicht. Wie sollte ich auch, wenn der Konzern von drei Nymphen geleitet wurde, die aus Atlantis stammten?
Ich hatte meinen Freunden davon nichts berichtet und ihnen nur von der Begegnung mit dem Henker erzählt, die schließlich schlimm genug war. Dieser Henker mit den drei Sensen lag wie eine unausgesprochene und unsichtbare Drohung über unseren Köpfen.
Wir rechneten sogar damit, daß er während der Modenschau erschien.
Dann würde aus ihr eine Mordschau werden. Und davor fürchteten wir uns.
»Sollen wir auch?« fragte Sheila und drückte sich bereits aus ihrem Sessel hoch.
Wir hatten nichts dagegen. Bill wußte, was sich gehörte und hakte seine Frau unter. Der Reporter trug einen blauen Blazer mit einem komischen Abzeichen am Revers, wie es jetzt wieder modern war.
Seine graue Hose zeigte scharfe Bügelfalten.
Suko und ich gingen hinter den Conollys. Der Chinese wirkte sehr nachdenklich und in sich gekehrt.
»Da war noch etwas, nicht?« fragte ich ihn.
»Natürlich, John.«
»Und weshalb sagst du es nicht?«
»Ich kann mich nicht daran erinnern.« Er strich über seine Stirn.
»Es ist so, als hätte mir jemand das Gedächtnis genommen. Verstehst du, was ich meine?«
»Sicher.«
»Und wir können nicht eingreifen, weil es meine Schuld ist.« Suko schüttelte den Kopf.
»Das darfst du so nicht sehen«, sagte ich. »Ich will ehrlich sein. Dieser Henker hat mir noch etwas gesagt. Jetzt hör genau zu. Ich will auch, daß du es behältst. Hinter der Firma Dark Mysterie steckt keine Einzelperson, sondern ein Trio. Drei Leute, Frauen. Man nennt sie Nymphen, und zwar die Nymphen von Atlantis.«
Suko war so überrascht, daß er stehenblieb und ich einen Schritt weiterging, bevor ich mich umdrehte. »Atlantis?« fragte mein Freund.
»Ja.«
»Ist das nicht vorbei?«
»Nein, das siehst du ja. Die Vernichtung der Großen Alten hat uns zwar aus der unmittelbaren Gefahrenzone gezogen und diesen gesamten Komplex etwas zurückgedrängt, aber vorbei ist es nicht. Das werden dir auch Myxin, Kara und der Eiserne bestätigen.«
Suko kam wieder zu mir. »Welcher Zusammenhang besteht denn zwischen dem Parfüm und Atlantis?«
»Das müssen wir noch herausfinden.«
»Und wo?«
Ich hob die Schultern. »Vielleicht hier. Möglicherweise woanders. Wir werden nach der Modenschau jedenfalls am Ball bleiben, das kann ich dir versprechen.«
»Vielleicht fällt mir auch wieder ein, was in Ellen Winters Zimmer passiert ist.«
»Sie wird das getan haben, was ich schon bei ihr sah. So!« Ich preßte meine fünf gespreizten Finger gegen die rechte Wange und zog die Kuppen nach unten. Nur blieb bei mir die Haut auf dem Fleisch. Bei Ellen war es anders gewesen. »Und das mußt du gesehen haben, Suko, auch wenn du dich nicht mehr daran erinnern kannst.«
»Genau das ist mein Problem.«
Auch wir hatten inzwischen den Eingang erreicht und traten über die Schwelle.
Ich nahm ein Glas Champagner. Suko dankte, er trank nicht einmal den angebotenen Orangensaft. Irgendwie war mein Freund von der Rolle.
Bill und Sheila hatten bereits ihre Plätze gefunden. Leider nicht in den ersten Reihen. Die Stühle dort waren für die Presse und Tassilo Urbanis Kollegen
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