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0398 - Herr der blauen Stadt

0398 - Herr der blauen Stadt

Titel: 0398 - Herr der blauen Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Jorgensen schoß!
    Damit gab es ein Problem weniger. Schon Sullivan hatte vorgeschlagen, die Scheibe zu vernichten. Nicole Duval hatte ihm heftig widersprochen und behauptet, daß damit den Verschwundenen jede Möglichkeit genommen würde, wieder in ihre Welt zurückzukehren. Ihre Erklärungen hatte keiner der Männer verstanden. Sie befaßten sich mit Archäologie, nicht mit anderen Dimensionen und Zeitebenen und erst recht nicht mit Magie.
    Aber nun war die goldene Scheibe fort. Das war so gut, als sei sie zerstört worden. Die unmittelbare Gefahr war also gebannt. Wo keine Scheibe war, konnte sie auch von niemandem berührt werden.
    Jetzt endlich kam in die anderen Grabräuber Bewegung.
    Sie fuhren herum und rannten davon. Sie flüchteten aus der Ruine, als säße ihnen der Teufel selbst im Nacken.
    Jorgensen konnte sie nur zu gut verstehen.
    Sie hatten Angst. Sie würden sich mit der Beute zufriedengeben, die bereits in den Fahrzeugen verladen war.
    Das war schon schlimm genug…
    Jetzt endlich erhob sich Wang aus der Grube, in der er hatte arbeiten sollen. Er schüttelte den Kopf.
    »Böse Leute, Mistel Jolgensen«, sagte er in seinem holperigen Englisch.
    Vom Kochen verstand er eine Menge, bloß mit der Sprache hatte er immer noch Schwierigkeiten. »Wil müssen sie aufhalten. Sie dülfen nicht mit Beute velschwinden.«
    Jorgensen nickte.
    »Aber vorsichtig«, sagte er. »Sie sind nach wie vor bewaffnet. Und Menschen, die Angst haben, sind die gefährlichsten. Wir müssen aufpassen, daß sie uns nicht trotzdem abknallen.«
    »Schaffen wil schon«, versicherte Chang. Er zog Jorgensen einfach hinter sich her. Am Camp dröhnten die Motoren der Geländewagen auf.
    Jorgensen fragte sich, ob es überhaupt Zweck hatte, den Grabräubern nachzujagen. Es war doch ohnehin alles verloren und vorbei…
    Aber Chang zerrte ihn unbarmherzig hinter sich her, gewillt, den Räubern ihre Beute um jeden Preis wieder abzujagen. In diesem Moment, da keine Waffenmündung mehr auf ihn gerichtet war, wurde er mutig…
    Fast zu mutig…
    ***
    Cuataxi selbst wurde maßlos überrascht. Von einem Moment zum anderen veränderte sich seine Umgebung. Für Augenblicke sah er den vor ihm stehenden Archäologen rasend schnell zu einem gewaltigen Riesen anschwellen und dabei durchsichtig werden, aber gleichzeitig verlor auch der Rest der Umgebung an Konsistenz. Und dann tauchte etwas anderes aus milchigen Schleiern auf.
    Cuataxi hatte den Finger krumm gemacht. Der Schuß krachte, der den Archäologen hatte töten sollen.
    Cuataxi wußte, daß er ihn nicht getroffen hatte. Die Kugel war ins Leere gefahren. Vorhin, als der verschwindende Ledermann auf José schoß, war das anders gewesen. Der Leibwächter war verschwunden, nachdem er geschossen hatte. Die Kugel hatte José noch erwischt und ihn so schwer verwundet, daß er kurz darauf starb.
    Cuataxi schüttelte den Kopf.
    »Wohin bin ich geraten?« murmelte er. Er drehte sich einmal um seine eigene Achse, die Hand mit der Schußwaffe erhoben. Daß er in der anderen Hand immer noch die goldene Scheibe hielt, merkte er erst jetzt.
    Er murmelte einen spanischen Fluch.
    Aber er behielt den goldenen Brustschild. Egal, wohin es ihn verschlagen hatte – er würde überall dafür einen guten Preis bekommen, dessen war er sicher.
    Er befand sich auf einer grauen Straße. Über ihm funkelten Sterne, und rechts und links standen Häuser. Aber sie wirkten seltsam leer. Kein Licht brannte hinter den Fensterhöhlen. Kein Schmutz lag am Straßenrand.
    Nichts deutete darauf hin, daß hier Menschen wohnten.
    Und die Steine der Häuser waren seltsam blau gefärbt. Häuser in dieser Blaufärbung hatte Cuataxi noch nie gesehen. Häuser, deren Türen und Fenster teilweise siebeneckig waren, auch nicht.
    Dieser Platz wurde ihm unheimlich. Wohin war er geraten? In eine Alptraumstadt?
    Er lauschte in die Nacht.
    Keine Grillen zirpten, kein Nachtvogel schrie. Nur ein Windhauch strich durch offene Fenster und zwischen Häusermauern hindurch. Die Stadt war tot.
    Leer.
    Und damit war er, obgleich er sich in relativer Freiheit befand, zum Gefangenen geworden. Wie sollte er herausfinden, wo er sich befand, wenn es niemanden gab, den er fragen konnte? Wer sollte ihm eine Möglichkeit geben, in die Zivilisation zurückzukehren, wenn es hier niemanden gab, der ihm ein Auto, einen Hubschrauber oder ein Reittier zur Verfügung stellen konnte?
    Er saß hier fest. Und dabei wußte er noch nicht einmal, wieso er hierher geraten

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