04 - komplett
zur Panik!“
Daraufhin öffnete Kit vorsichtig die Augen, erkannte seinen Gefährten und betrachtete ihn mit deutlichem Mangel an Begeisterung.
„Hallo, Harry“, sprach er ihn misstrauisch an, „was zum Teufel machst du hier?“
Captain Harry Lutrell grinste über das ganze Gesicht. „Das nenne ich Kampfgeist! Hab doch gewusst, dass dich so ein Schlag über den Kopf nicht wirklich umhauen kann!“
Noch einmal, behutsamer diesmal, setzte Kit sich auf. Die Wände waren immer noch in Bewegung, und ihm wurde bewusst, dass er sich auf einem Schiff befand.
„Harry, wo sind wir?“
Irritiert verzog Lutrell das Gesicht. „Auf der ‚HMS Gresham‘, aus Southampton segelnd, genau wie abgesprochen! Wir sind auf dem Weg nach Irland, was du wohl wissen solltest, und seit zwei Tagen auf See!“
Kaum merklich schüttelte Kit den Kopf. „Ich ging zu dem Treffen, um Lord Castlereagh eine Nachricht zukommen zu lassen, dass ich aus dem Unternehmen auszusteigen gezwungen war ...“
Jetzt war es an Harry, den Kopf zu schütteln. „Aber, Kit, erinnerst du dich denn nicht?
Es war doch abgemacht, die Sache so durchzuführen – zuerst die Schlägerei zu inszenieren, dann das Eingreifen der Marinepatrouille ...“
Kit starrte ihn an. „Ich habe wohl alles vergessen. Was geschah dann?“
Lutrell lehnte sich gegen das Querschott. „Sobald du hereinkamst, gab Benson dir eins über den Schädel, wir karrten dich hierher ... so wie es vereinbart war.“
„Jetzt fällt mir wieder ein, dass wir die Angelegenheit zur Tarnung so aufziehen wollten“, stieß Kit aus, während er sich erschüttert die Stirn rieb. „Aber ... oh Gott, was wird bloß aus Nell? Harry, am selben Morgen habe ich mich verheiratet!“
Entgeistert zog Lutrell die Augenbrauen hoch. „Du und verheiratet? Ich hielt dich für einen der wenigen, die nicht hinter den Röcken her sind!“
„Im Allgemeinen hast du recht, aber es ist ... einfach so passiert!“, brauste Kit auf, dessen Kopf immer heftiger schmerzte. „Am selben Tag, kurz bevor ich bei dem Treffen erwartet wurde, ging ich mit Eleanor die Ehe ein – weshalb ich Benson klarmachen wollte, dass ich nicht mitfahren kann! Um Himmels willen, Harry, verstehst du? Frisch verheiratet, habe ich vor zwei Tagen meine Braut verlassen, ohne ihr sagen zu können, wo ich bin!“
Beruhigend legte sein Freund ihm eine Hand auf die Schulter. „Verfluchtes Pech, mein Junge“, sagte er mitfühlend, „aber das konnte Benson schließlich nicht wissen.
Wenn wir in Dublin sind, kannst du ihr eine Nachricht senden. Schließlich sind wir nur wenige Wochen weg, Kit. Ich bin sicher, dass deine frisch Angetraute die Situation versteht, wenn du sie ihr erklärst ...
Entmutigt schüttelte Kit den Kopf. Zum Teufel, ihm war auf zweierlei Arten übel. Zum einen fühlte er sich seekrank, womit er mehr oder weniger zurechtkam; zum anderen aber ... Schmerzhaft zog sich ihm das Herz zusammen, als Eleanor ihm vor seinem inneren Auge erschien, wie sie ihn nach der Heirat anlächelte und auf liebenswerte Art bat, nicht lange wegzubleiben ... Zwei Tage war das her!
Captain Lutrell erhob sich. „Ich besorge dir etwas zu trinken und heißes Waschwasser“, sagte er. „Es gibt auch Essen, falls dir der Sinn danach steht, obwohl ich finde, dass du etwas grün im Gesicht bist, alter Freund ...“
Kit rang sich ein Lächeln ab. „Meinen Dank, Harry, ich weiß deine Fürsorge zu schätzen. Gibt es hier Papier und Feder?“
Lutrell wies auf ein Schreibpult. „Dort findest du alles.“ Damit verließ er die Kabine.
Völlig zerschlagen begab Kit sich zu dem Pult und nahm zögernd einen Bogen Papier zur Hand. Sicher war er nicht in der Verfassung, um seine Worte gut zu setzen, da ihm der Schädel fürchterlich dröhnte, aber er wollte sein Bestes geben ... Gequält verzog er den Mund und hätte nichts dagegen gehabt, noch einmal das Bewusstsein zu verlieren. Denn seit seinem Erwachen wähnte er sich in einem Albtraum gefangen, dem zu entfliehen vorerst nicht in seiner Macht stand.
1. KAPITEL
Mai 1814
Eleanor Mostyn wusste, dass sie in Schwierigkeiten steckte, noch bevor der Wirt ihr anzüglich zwinkernd mitteilte, dass bis zum Morgen keine Postkutschen zu erwarten seien, es in seiner Herberge aber nur ein einziges Schlafzimmer gebe ... Während sie ihm in den winzigen Salon folgte, zählte sie eins und eins zusammen: Das nächste Dorf lag Meilen entfernt, und die Kutsche, mit der sie hergekommen war, hatte bei strömendem
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