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04 - komplett

04 - komplett

Titel: 04 - komplett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 2 Romane
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sich an das spärlich flackernde Kaminfeuer und starrte besorgt hinein. Schon bald würde sie sich mit Sir Charles’ Unverschämtheiten abgeben müssen, obwohl ihrem Namen bereits genügend Schande anhaftete, als dass sie sich auch noch mit einem Mann, der sie zu Tode langweilte, in einem Landgasthof ein Stelldichein geben mochte ...
    Am schlimmsten aber litt sie darunter, dass es in ihren Augen jedem Mann nach wie vor zum Nachteil gereichte, mit Kit verglichen zu werden. Das schien absurd, denn er hatte sie schließlich ohne ein Wort verlassen und der Schande ihrer überstürzten Heirat allein ausgesetzt. Dennoch kam für sie ihm kein anderer gleich.
    Im Laufe der fünf Monate nach seinem Verschwinden war ihre jugendliche Verliebtheit nach und nach Kummer und dann Zorn gewichen. Jedes Mal, wenn ihre Mutter mit neuem Klatsch über Kit aufwartete, verhärtete sich ihr Herz ein bisschen mehr gegen ihn. Doch obwohl sie ihre Gefühle für ihn zu bekämpfen versuchte, überschattete die Erinnerung an ihren Liebsten jede andere Begegnung mit einem Mann und ließ keinem neuen Bewerber eine Chance.
    Auf dem Korridor waren nun Stimmen zu hören, die näher kamen. Sir Charles schien Shakespeare zu zitieren. Nein, wie ermüdend, dachte Eleanor respektlos, während er die Tür öffnete und, gefolgt vom Gastwirt, der ein Tablett mit einer Flasche Rotwein nebst zwei riesigen bauchigen Gläsern trug, eintrat. Leicht rümpfte sie die Nase über diesen Mangel an Finesse, hatte sie von einem Dichter doch besseres Stilempfinden erwartet.
    „Da sind Sie ja, meine Liebe!“, rief Sir Charles, dessen Stimme nun schon nicht mehr höflich und respektvoll tönte wie bisher, sondern bereits den Unterklang abscheulicher Intimität besaß. „Ich hoffe, Sie haben’s hier warm genug – doch werden wir bald mollig im Bettchen liegen und dabei warme Füße kriegen – ohne dass jemand nach uns frug!“
    Eleanor fragte sich gereizt, ob Sir Charles schon immer in Knittelversen gesprochen und warum sie das nicht schon vorher bemerkt hatte. Den Wirt, der blöde und anzüglich grinsend den Wein einschenkte, würdigte sie keines Blickes. Gewiss sonnte sich dieser in dem Gedanken an dem großzügigen Schweigegeld, da er bei einem derart fragwürdigen Unterfangen ein Auge zudrückte.
    „Für den Moment wird das Gasthaus genügen müssen“, antwortete sie kühl, ohne auf Sir Charles’ Anspielungen einzugehen, „aber lange bleibe ich nicht hier. Sicher kann man einen Boten nach Trevithick-House schicken? Die anderen werden schon dort angelangt sein und sich Sorgen machen, wo wir bleiben ...“
    „Zerbrechen Sie sich nicht unnötig Ihren bezaubernden Kopf, meine Liebe“, gab Sir Charles leichthin zurück, indem er sich in Pose warf. „Oh, ein Gedicht kommt über mich!“, verkündete er strahlend. „Mein Herz wandelt auf Freiersfüßen, sobald ich dein hübsches Antlitz seh’; und tut mir ach so weh, tust aus meinem Bettchen du nicht grüßen ...“
    „Ich bitte Sie, Sir, zügeln Sie Ihre Fantasie!“, fuhr Eleanor ihn an. „Ihre Reime sind ganz unausstehlich, das Werk von Torheit und übermäßiger Einbildung!“
    Dies brachte Sir Charles mitnichten aus dem Konzept. Stattdessen legte er seinen Gehrock ab und trat in seinem mit Unmengen von Spitze und Bändern verzierten Hemd italienischen Stils, sich die Hände reibend, dicht ans Feuer. Eleanor ertappte sich bei dem unchristlichen Wunsch, seine gerüschten Ärmel möchten Feuer fangen.
    „Weh mir, geliebte Lady Mostyn, dass Sie verehelicht sind“, schnarrte der miserable Poet, „sonst würde ich Ihnen meine Verehrung auf der Stelle beweisen!“ Dabei starrte er sie mit gespielt wehmütigem Blick an, hinter welchem Eleanor die pure Berechnung erkannte. „Meine Liebe und Achtung, müssen Sie wissen, kennt keine Grenzen ...“
    „Wie auch die Kränkungen, die Sie mir zufügen, Sir!“, unterbrach Eleanor ihn, bevor er seinen lyrischen Erguss zu Ende bringen konnte.
    Zur Antwort drückte Sir Charles ihr mit Nachdruck ein Glas Wein in die Hand und leerte seines auf einen Zug um die Hälfte.
    „Sie wissen doch selbst, süße Eleanor, dass Ihre Verwandten erst in ungefähr einer halben Stunde zu Hause ankommen und sich nicht vor einer weiteren Stunde Sorgen machen werden. Dann aber wird es schon dunkel sein ...“ Damit bohrte er seinen Blick in den ihren, und sie verstand auf der Stelle, dass er ihre hilflose Lage auszunützen entschlossen war. Mit einem Rest Sarkasmus registrierte sie, dass

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