04 - komplett
ihr Retikül umklammerte. „Ich wollte das nicht von Ihnen glauben.“ Ihre Blicke trafen sich, und Kit erkannte das Flehen in ihren Augen: Sie hoffte, dass er ihre gute Meinung von ihm nicht enttäuschte und sich wie ein Gentleman benahm. Wie er sich dafür hasste, dass er ihr nicht helfen konnte!
„Ich dachte, Sie mögen mich“, beendete sie fast unhörbar ihren Satz.
Kit hielt den Atem an, brauchte es doch stärkere Worte, um die Gefühle zu benennen, die er für sie hegte. Er merkte, wie er mehr und mehr die Kontrolle über die Situation verlor.
„Eleanor, dieses Wort beschreibt meine Empfindungen für Sie nur unzulänglich, aber es gibt Gründe ...“, setzte er an, um dann zu verstummen, da sie abwehrend die Hand hob und einen Schritt zurücktrat.
„Sicher gibt es diese, Mylord. Verzeihen Sie, dass ich Sie belästigte, und lassen Sie mich jetzt bitte gehen!“
Mit vollendeter Höflichkeit öffnete Kit ihr die Tür. Die Eingangshalle war dunkel und leer; nur einige Kerzen in einem bronzenen Leuchter warfen flackernde Schatten auf den gefliesten Boden. Die große Standuhr schlug ein Mal.
Eleanor war schon halb durch die Tür, als Kit ihr bittend eine Hand auf den Arm legte.
„Ich kann Sie so nicht gehen lassen, Eleanor, denn ich wünschte fürwahr, Ihnen helfen zu können, aber ...“
„Lassen Sie das!“ Mit einer überraschend heftigen Bewegung schüttelte sie seine Hand ab. Im schwachen Schein der Kerzen sah er Tränen in ihren Augen schimmern.
„Hören Sie bitte auf, Ihr Verhalten zu entschuldigen, Lord Mostyn! Sie sind nicht der, für den ich Sie hielt, und es war ein großer Fehler, hierherzukommen. Das ist alles.“
Ihr zarter Duft, eine Mischung aus Rosenwasser und feiner Seife, und die Unschuld ihrer Jugend verschlugen ihm den Atem; er begehrte sie so sehr, dass es schmerzte.
„Nein, das ist es nicht“, hielt Kit mit rauer Stimme dagegen, obwohl er wusste, dass er ihr hätte zustimmen, sie aufgeben und gehen lassen sollen. „Eleanor, Sie wissen, dass Sie mir nicht gleichgültig sind ...“
Offen begegnete sie seinem Blick. „Ich dachte, Sie brauchen mich“, sagte sie.
Später wusste er nicht mehr, wer von beiden sich zuerst dem anderen zugewandt hatte, doch hielt er sie im nächsten Moment in seinen Armen, ihren schlanken Körper an den seinen gepresst, seinen Mund auf dem ihren. Eleanor öffnete leicht die Lippen, sodass Kit es wagte, ihren Mund mit seiner Zunge weiter zu öffnen und die ihre zu berühren, was sie ihm atemlos gewährte. Dann merkte er, wie sie zögerte; doch kurz bevor er sich aus Rücksicht zurücknahm, schwand ihr Widerstand, und sie wurde wieder weich und biegsam in seiner Umarmung. Süßes, heißes Verlangen erfüllte ihn, und er küsste sie mit offenen Lippen, als wolle er Seligkeit aus ihr trinken. Mit einer Hand zerzauste er ihr Haar, woraufhin funkelnde Haarnadeln daraus niederregneten; wie lange schon hatte er mit seinen Fingern durch ihre seidenweichen Locken fahren wollen ... Einen Arm um ihre Taille geschlungen, schob er mit der anderen Hand den Samtumhang von ihren Schultern, bis dieser mit leisem Geräusch zu Boden fiel. Jetzt spürte Kit die Wärme von Eleanors Körper.
„Nell“, flüsterte er, woraufhin sie die Augen öffnete, die jetzt fast schwarz wirkten, wie von Leidenschaft verschleiert. Sie lächelte mit ihrem tiefroten Mund.
Kit rang um die letzten Reste seiner Selbstbeherrschung. „Nell“, wiederholte er leise,
„wenn du dir nicht sicher bist ...“
Mit beglücktem Lächeln hob sie die Hand und legte sie an seine Wange, worauf ihn fast schmerzhaft heftige Begierde durchfuhr.
„Ich bin mir sicher“, antwortete sie mit großem Ernst.
Für Stunden waren dies die letzten Worte, die gewechselt wurden.
Kit erwachte mit fürchterlichen Kopfschmerzen, die er kaum dem Brandygenuss der letzten Nacht zuschreiben mochte; um ihn her schaukelten die Wände mit widerlicher Regelmäßigkeit hoch und nieder, sodass er sich eines Stöhnens nicht erwehren konnte.
„Wie geht’s, alter Knabe?“, fragte jemand besorgt. „Warst fast zwei Tage lang bewusstlos! Der Kerl ging unnötig brutal vor, wenn du mich fragst ...“
Einen Arm über die Augen gelegt, kämpfte Kit gegen quälende Übelkeit an, während irgendetwas ihn zutiefst beunruhigte ...
„Eleanor!“, rief er aus, richtete sich ruckartig auf, fiel aber gleich mit erneutem Stöhnen in die Kissen zurück.
„Ruhig Blut, mein Junge“, sagte dieselbe Stimme wie zuvor. „Kein Grund
Weitere Kostenlose Bücher