04 - Winnetou IV
ich liebe Dich!“ Und als ich es umwendete, war auch die andere Seite beschrieben, doch klein und wie mit zitternder Hand: „Charly, ich sterbe für Dich. Ich weiß es, ich weiß es! Dein Winnetou.“
Intschu-inta stand dabei und sah, daß das Herzle, als wir das lasen, weinte. Auch mir stand ein Tropfen im Auge. Er, der starke Mann, drehte sich um und fuhr sich mit der Hand ins Gesicht.
„Es ist hier alles so sauber! Grad als ob er erst vor einer Stunde hier gewesen sei!“ sagte sie. „Wer hat denn hier Ordnung gehalten? Wer hat gewischt?“
„Ich“, antwortete er.
„Wann?“
„Jeden Tag.“
„Seit wann?“
„Seit er zum letzten Male hier war.“
„Diese lange, lange Zeit? Jeden Tag? Trotzdem er nicht mehr kommen konnte? Trotzdem er nicht mehr lebte?“
Da schüttelte er leise den Kopf, lächelte ebenso leise und antwortete:
„Er sagte stets, es gäbe keinen Tod; das habe ihm Bruder Shatterhand versichert. Und ich glaubte ihnen beiden. Ich glaube es auch noch heut.“
Er strich mit der Hand über den Lederanzug, der da an der Wand hing, und fuhr fort:
„Diese Leggins und diese Jacke trug er stets, wenn er die Absicht hatte, die Wohnung nicht zu verlassen. Bin ich hier allein, so ist es mir oft, als höre ich die Lederfalten dieses Anzuges rauschen. War das Winnetou? Ging er unsichtbar hinter mir vorüber? Wenn ich hier eintrete, ist es mir oft, als stehe er da draußen auf dem Altan, die Hände gefaltet, um zu beten, wie er zu tun pflegte, wenn ihn eine Sehnsucht oder ein Leid bewegte. Er nannte mich seinen Freund; ich aber war stolz darauf, mich seinen Diener nennen zu dürfen. Ich legte ihm die Hände unter die Füße und wäre tausendmal gern für ihn gestorben. Aber er hat sterben müssen. Denn nicht sein Leben, sondern sein Tod hat alle Stämme der Apatschen und alle roten Völker aufgeschreckt, doch endlich die Augen zu öffnen und einzusehen, wie köstlich das Leben eines einzelnen Menschen ist, um wieviel köstlicher und unersetzlicher also das Leben einer ganzen Nation, einer ganzen Rasse! Wir waren blind. Wir sind nun sehend geworden! Wie habe ich ihn liebgehabt, wie lieb, wie unendlich lieb!“
Und plötzlich stand er vor mir, faßte meine Hand und bat:
„Nimm seine Stelle ein! Nimm sie ein! Nicht nur hier im Hause, sondern auch hier bei mir!“
Er klopfte sich an die Brust. Dann nahm er auch das Herzle an der Hand und fuhr fort:
„Und dich flehe ich an, sei uns Nscho-tschi! Sprich zu den Frauen, die sich hier versammeln wollen! Führe sie nicht zu Worten, sondern zur Tat! Tatellah-Satah ist Priester, aber nicht Krieger. Bedenkt das wohl! Darum war es die Sehnsucht unseres großen Winnetou, seinen weißen Bruder in dieses Haus zu leiten. Die Seele, die hier erwacht, braucht Schutz und Schirm vor ihrem eigenen Volk. Sie hofft auf euch, auf euch!“
SIEBENTES KAPITEL
Kämpfe
Der Mount Winnetou liegt im südlichen Winkel zwischen Arizona und Neumexiko. Die dortigen freien Indianer erkennen keine Regierung über sich an.
Das ‚Komitee des Denkmals für Winnetou‘ war so pfiffig gewesen, sich an den Vereinigten-Staaten-Kongreß zu wenden, und hatte die Erlaubnis erhalten, ‚am Mount Winnetou eine Stadt namens Winnetou anzulegen, dem einstigen Häuptling der Apatschen dort ein Denkmal beliebiger Höhe und beliebiger Umfanges zu setzen und alle Einrichtungen zu treffen und alle Bauten vorzunehmen, die zur Erreichung dieser löblichen Zwecke nötig sind‘. So lautete die Genehmigung, welche der betreffende Delegierte ihnen erwirkte.
Hierauf hatten sie ihr Werk begonnen, ohne sich um die Tradition und Rechte anderer zu bekümmern. Die Stämme der Apatschen waren leicht gewonnen, weil es sich angeblich um ihren Liebling Winnetou handelte. Auch einige Komantschenstämme dazu, denn Apanatschka war ja der Häuptling der Kanean-Komantschen. Einen Häuptling, auf den alle Stämme der Apatschen hörten, gab es seit Winnetou nicht mehr, und was den alten Tatellah-Satah betraf, dessen Einfluß sich über alle roten Stämme erstreckte, so war er zwar nicht zu bewegen gewesen, in das Projekt zu willigen, aber Old Surehand und Apanatschka glaubten, daß es ihnen doch noch gelingen werde, ihn auf ihre Seite hinüber zu ziehen. Sie rechneten hierbei auf den Zwang der Tatsache, der unwiderstehlich ist, und begannen also, zu schaffen und zu bauen, ohne seine Einsprüche zu beachten. Ein jeder seiner Eingriffe wurde mit allerdings sehr wahren Behauptungen zurückgewiesen, daß man die
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