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04 - Winnetou IV

04 - Winnetou IV

Titel: 04 - Winnetou IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wirklich schöner Greis! Als er mich sah, erkannte er mich sofort. Seine alten, guten Augen strahlten vor Freude. Er kam auf mich zu, legte beide Arme um mich, zog mich an sich und rief aus:
    „O Manitou, o Manitou, du Großer und du Gütiger! Wie danke ich dir für dieses Glück, für diese Freude! Wie sehnte ich mich, den besten, den aufrichtigsten Freund aller roten Völker noch einmal zu sehen, bevor ich das unbekannte Wasser des Todes mit kühn schwimmendem Arm zerteile! Meine Sehnsucht ist erfüllt. Ich erfuhr, daß er kommen werde. Da beschloß ich, auch zu kommen. Das Alter streckte den dürren Arm nach mir aus, mich festzuhalten. Ich aber fühlte mich jung und riß mich los. In meinem Herzen erklang eine Stimme, die mir sagte, daß ich zu meinem weißen Bruder eilen müsse, denn er bringe uns die Güte, die Liebe und die Einheit zurück, die uns einst verlassen haben. Und kaum bin ich gekommen, so kommt auch er! Und du bist seine Squaw?“
    Diese Frage war an das Herzle gerichtet. Wir waren von den Pferden gestiegen. Sie stand neben mir.
    „Sie ist es“, antwortete ich.
    Da streckte er den Arm nach ihr aus, zog sie grad so an sich wie mich und fuhr fort:
    „Er bringt uns eine Freundin, eine weiße Schwester. Sei sie uns willkommen in unseren Zelten und in unseren Seelen! Ich bin der Älteste von allen. Setzt euch im Kreis und bringt mir das Kalumet, es soll eine der letzten und der schönsten Ehren sein, die Versammlung des Grußes zu leiten. Old Shatterhand setze sich zu meiner Rechten, seine Squaw zu meiner Linken. Man entzünde das Feuer der Freude!“
    Wie gesagt, so getan. Es war ein außerordentlich rührendes, gegenseitiges Willkommenheißen, welches sich nun entwickelte. Die Pfeife ging unaufhörlich von Hand zu Hand. Tausend Erinnerungen tauchten auf, sie alle mit dem herzlieben Namen Winnetou verknüpft. Doch hatten wir jetzt keine Zeit, uns ihnen hinzugeben. Das mußte für später verschoben werden.
    Mitten in diese lebhafte, frohe Szene hinein kamen Young Surehand und Young Apanatschka. Sie waren zu Pferd wie überhaupt dort jedermann. Sie stiegen ab. Aber niemand schien sie zu sehen. Sie wollten sich zu uns setzen, aber keiner rückte zu, und keiner machte ihnen Platz. So standen sie eine ganze, lange Weile. Dann gingen sie zu ihren Pferden, um wieder fortzureiten. Nun endlich wurden sie beachtet. Athabaska rief ihnen zu:
    „Die Söhne von Old Surehand und Apanatschka mögen näher treten!“
    Sie kehrten wieder um. Seine Stimme hatte jenen unwiderstehlichen Ton, dem man gehorchen muß, auch wenn man nicht gehorchen will. Alles war plötzlich still. Niemand sprach. Man konnte das leise Knistern des kleinen Feuers hören. Da fragten Athabaska die beiden:
    „Sind Young Surehand und Young Apanatschka Häuptlinge?“
    „Nein“, antworteten beide.
    „Ist Old Shatterhand Häuptling?“
    „Ja.“
    „Es sind schon fast siebzig schwere Winter, die er verlebt; sie aber haben noch nicht einmal dreißig leichte Sommer hinter sich. Und doch gehen sie nicht zu ihm, sondern sie verlangen, daß er zu ihnen komme! Seit wann ist es bei den roten Männern Sitte, daß das Alter der Jugend zu gehorchen hat und die Erfahrenheit der Unerfahrenheit? Wir wollen, daß unser Volk vom Schlaf auferstehe. Wir wollen, daß es seine Rechte und seine Pflichten erkennen lerne. Wir wollen, daß es sich zu den gebildeten Nationen zähle. Wie aber sollen wir das erreichen, wenn wir nicht einmal das Gesetz der wildesten unter den Wilden achten, daß die Jugend das Alter ehre?“
    Da warf Young Surehand stolz ein:
    „Wir sind Künstler!“
    „Uff, uff!“ rief Athabaska aus. „Ist das etwas Besseres als Mensch zu sein und alt und erfahren zu sein? Ihr seid Künstler? Habt ihr das schon bewiesen? Vielleicht ist Old Shatterhand auch einer. Er hat sich noch nicht als Künstler bezeichnet. Ihr aber nennt euch so. Darum werden wir euch prüfen, ob euch dieser Name zukommt oder nicht. Und selbst wenn ein Künstler etwas so Hohes und so Herrliches wäre, daß kein anderer Mensch ihn zu erreichen vermöchte, so müßte man doch von ihm wohl erst recht die Tugenden fordern, die man an jedem gewöhnlichen Menschen zu sehen verlangt. Fragt eure Väter, und fragt Kolma Putschi, was sie Old Shatterhand verdanken! Hat er nun für diese seine Taten und für alle Liebe, die er ihnen erwies, den Söhnen nachzulaufen, weil diese von sich behaupten, Künstler zu sein? Was soll denn diese euer Kunst? Uns ein Riesenbild von Winnetou geben!

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