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04 - Winnetou IV

04 - Winnetou IV

Titel: 04 - Winnetou IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Es waren mehrere Indianer und Indianerinnen bei ihm, die er mit leichten Zimmer- und Flechtarbeiten beschäftigt, warum und wozu, das fragte ich nicht.
    Tatellah-Satah war heute nicht mehr zu sehen. Er hielt es für richtig, mich ganz mein eigener Herr sein zu lassen, wie auch ich mir vorgenommen hatte, ihn nicht eher aufzusuchen, als bis es nötig war. So blieben wir am Abend mit unseren drei lieben Gästen allein und beobachteten mit stiller Freude, in wie unendlich zarter Weise die Herzen der jungen Leute sich einander mehr und mehr näherten. Ich hatte es für möglich gehalten, daß Old Surehand und Apanatschka sich noch heute am Abend bei mir einstellen würden. Das geschah aber nicht. Dafür aber fand ich, als ich am andern Morgen aufstand, einen Boten von ihnen vor. Sie ließen mir sagen, daß ich wohl wüßte, wie sehr sie mich liebten und achteten, und wie sehr sie sich freuten, mich wiederzusehen; aber es sei ihnen unmöglich, mich in der Wohnung ihres Freundes Tatellah-Satah aufzusuchen. Ich hätte zu entscheiden zwischen ihnen und ihm; ein Drittes gebe es nicht. Übrigens seien sie, falls ich zu ihnen nach der Unterstadt komme, zu jeder Zeit für mich zu sprechen. Abbitte zu leisten, liege kein Grund vor, da es für ihre Söhne unmöglich gewesen sei, mich auf dem ‚Schloß‘ aufzusuchen.
    Es fiel mir nicht ein, mir diese Botschaft zu Herzen zu nehmen. Es wirkten da jedenfalls Dinge, die ich nicht kannte und auch nicht kennenzulernen nötig hatte. Es gab hier nur eines zu beachten, nämlich: Wer nicht will, der muß! Und heut früh hatte ich am allerwenigsten Lust und Zeit, mich mit persönlichen Streitfragen zu befassen. Ich mußte nach dem ‚Tal der Höhle‘, um topographisch orientiert zu sein, wenn die Feinde kamen, sich dort zu verstecken.
    Intschu-inta, unser riesiger ‚Diener‘, stand mit seiner Leibgarde schon seit dem Morgengrauen bereit, uns dorthin zu begleiten, er hatte für alles gesorgt, für Speise und Trank, für Lichter, Fackeln, Stricke, Haken und alle möglichen anderen Gegenstände, deren wir bedurften, um die Höhle so, wie es notwendig war, kennenzulernen. Sie hatten für mich eine ungewöhnliche Wichtigkeit. Es wäre mir wohl schwer geworden, bestimmte, klare Gründe hierfür anzugeben. Es handelte sich dabei mehr um eine Ahnung als um ein bestimmtes, sicheres Wissen. Aber seit ich gesehen hatte, wie plötzlich der Schleierfall in der Erde verschwand, und seit ich wußte, daß die unterirdische Höhle bis nahe an diesen Fall heranreichte, war es mir als ob sie in unsern hiesigen Erlebnissen eine nicht ganz unbedeutende Rolle spielen werde.
    Zum besseren Verständnis dessen, was nun kommt, erinnere ich an die berühmte Mammuthöhle in Kentucky in den Vereinigten Staaten, die mit ihren Seitenhöhlen eine Länge von über dreihundert Kilometern besitzt. Ihr Hauptgang erstreckt sich unter der Erde sechzehn Kilometer weit. Es gibt da unzählige Schächte, Stollen, Gänge, Schluchten, Hallen, Stuben, Säle, Grotten, Dome, Teiche, Seen, Bäche, Flüsse und Wasserfälle. So ungefähr dachte ich mir die Höhle am Mount Winnetou, und die Folge zeigte, daß ich mich da nicht geirrt hatte. Sie war zwar nicht von gar so riesigen Dimensionen, aber der Wunder gab es auch hier genug. Besonders war es die überaus reichliche und unvergleichliche Stalaktitenbildung, welche wir bestaunten.
    Der Weg nach der Höhle ging nicht durch die Stadt und dann den ‚weißen Fluß‘ entlang, sondern man ritt auf der anderen Seite von der Höhe hinab und hatte dann einem Bach zu folgen, der den Vorsatz gefaßt zu haben schien, alle diejenigen, die sich seiner Leitung anvertrauten, dahin zurückzuführen, woher sie gekommen waren. Es ging immer rundum, doch in Schraubenlinien immer tiefer hinab. Dabei bekamen wir besonders den kleinen Mount Winnetou, auf dem Tatellah-Satah wohnte, von allen möglichen Gesichtspunkten aus zu sehen. Einmal konnten wir das große Kriegsadlernest, welches unser Freund, der ‚Junge Adler‘, erklettert hatte, besonders deutlich erkennen. Das war der Grund, daß das Herzle den ‚Diener‘ fragte, ob er über diesen Vorgang unterrichtet sei. Heut war nur Pappermann, nicht aber auch der ‚Junge Adler‘ bei uns; so konnten wir also über dieses sein Erlebnis sprechen, ohne indiskret zu sein.
    „Ja, ich weiß alles“, antwortete Intschu-inta. „Ich stand ja neben Tatellah-Satah, der vor seiner Tür saß, als der ‚Junge Adler‘ vom Horst des Kriegsadlers herabgeflogen kam

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