04 - Winnetou IV
Zeit!“
Er hatte sehr rasch gesprochen, um möglichst wenig Zeit zu verbrauchen. Das klang doppelt ängstlich und doppelt eindrucksvoll. Ich erkundigte mich trotzdem in langsamer, gemächlicher Weise:
„An den Ort, wo die Beratung stattfindet, wollt Ihr mich führen? Wohin geht dieser Weg?“
„Hinauf nach Trinidad.“
„Welches Trinidad meint Ihr? Es gibt ihrer mehrere.“
„In Colorado.“
In diesem Trinidad wohnte ein alter, guter Bekannter von mir, namens Max Pappermann, einst ein sehr brauchbarer Präriejäger, jetzt aber Besitzer eines sogenannten Hotels. Er war von deutscher Abstammung und hatte die Eigentümlichkeit, seinen Namen für die Quelle allen Unheils, welches ihn traf, zu halten. Er sprach seinen Vornamen nicht mit dem englischen e, sondern noch mit dem deutschen a aus, konnte aber infolge eines Sprachfehlers mit dem x nicht fertig werden; sein Max wurde stets zum Maksch . Obgleich er sich hierüber tief, tief unglücklich fühlte, kam es ihm doch gar nicht in den Sinn das zu tun, was jeder andere an seiner Stelle getan hätte, nämlich diesen Namen möglichst zu vermeiden; er gab ihn ganz im Gegenteile bei jeder Gelegenheit zu hören und wurde darum aus diesem und noch einem anderen Grund von jedermann ‚der blaue Maksch‘ genannt. Er hatte nämlich auf einem seiner Streifzüge durch den Westen das Unglück gehabt, sich die linke Seite des Gesichtes durch explodierendes Pulver zu verbrennen. Dabei war ihm zwar kein Auge verloren gegangen, aber die von dem Pulver getroffene Hälfte des Gesichtes hatte sich für immer blau gefärbt. Er war unverheiratet geblieben, aber ein lieber, prächtiger, treuer und aufopferungsvoller Kamerad, mit dem ich einige Male für nur kurze Zeit zusammengetroffen war. Ich hatte dabei im Verein mit Winnetou Gelegenheit gefunden, ihm bei einem Überfall durch die Sioux helfend beizustehen, und er vergrößerte diesen doch nur gelegentlichen Dienst in der Weise, daß er sich uns, wie er sich auszudrücken pflegte, zur ‚ewigen und eternellen Dankbarkeit‘ verpflichtet fühlte. Er war einer von den Westmännern, die ich wirklich und herzlich liebgewonnen hatte.
Zur Vervollständigung will ich hinzufügen, daß dieses Trinidad die Hauptstadt der Grafschaft Las Animas im nordamerikanischen Staat Colorado ist, den Knotenpunkt mehrerer Bahnen bildet und noch heutigen Tages einen nicht unbedeutenden Viehhandel treibt. Dieser letztere Umstand war wohl die Ursache, daß auch die beiden Enters sowohl die Stadt, als auch ihre Umgegend sehr gut kannten. Sebulon fuhr in seiner Auskunftserteilung fort, indem er mich fragte:
„Seid Ihr schon einmal da oben in Trinidad gewesen, Mr. Burton?“
Ich antwortete ausweichend:
„Muß mich erst besinnen. Bin an so vielen Orten gewesen, daß ich nicht wenige von ihnen aus dem Gedächtnis verloren habe. Also da oben liegt das Rendezvous aller Feinde der Apatschen?“
„Ja, aber nicht etwa Trinidad selbst, sondern ein bedeutendes Stück von da in die Berge hinein.“
„So?! Ihr scheint mich für einen Abc-Schützen zuhalten, weil Ihr mir zumutet, anzunehmen, daß die Roten, deren Absichten doch wohl geheim bleiben sollen, eine so belebte Stadt zum Stelldichein wählen. Diese Eure Ansicht über mich ist wohl nicht geeignet, mich zu einem Anschluß an Euch zu bewegen. Ich will nun nur noch fragen, wann man da oben einzutreffen hätte.“
„Wir reisen schon heut von hier ab, weil wir einen ganzen Tag in Chicago und zwei volle Tage in Leavenworth zu tun haben. Ihr könntet nachkommen. Die Beratung soll genau heut über zehn Tage sein. Wir würden Euch aber drei volle Tage vorher in Trinidad erwarten.“
„Gebt die Stelle näher an! Oder ist Trinidad so klein, daß ihr uns, wenn wir kommen, sofort sehen müßt?“
„Fragt nach dem Hotel des alten Pappermann, den man den ‚blauen Maksch‘ zu nennen pflegt. Da bleiben wir über Nacht. Haben uns dort schon angemeldet. Aber, Sir, es sind schon elf Minuten vorüber. Wir haben also nur noch vier Minuten. Besinnt Euch schnell, und gebt uns Bescheid, sonst wird es zu spät!“
„Habt keine Sorge! Wir werden genau mit fünfzehn Minuten zu Ende sein.“
„Hoffentlich! Das liegt ja noch vielmehr in Eurem eigenen Interesse, als in dem unsrigen!“
„Wieso?“
„Weil Ihr ohne uns die Apatschen nicht retten könntet!“
Jetzt mußte mein Schlager kommen, mit dem ich ihre Ansprüche und überhaupt ihre Selbstabschätzung herunterzustimmen hatte. Ich schaute ihm also wie
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