04 - Winnetou IV
müssen, daß man es dann lesen kann! Ich bin wahrhaftig zu allem bereit für Euch und für Eure Frau, für solche Marter aber nicht; nehmt es mir nicht übel!“
Daß ich mich unter den jetzt gegebenen Umständen nicht nach Trinidad setzte, um die Ankunft der Brüder Enters abzuwarten, verstand sich ganz von selbst. Wir hatten Besseres und Wichtigeres zu tun. Wie mein Name verschwiegen worden war, so sagten wir auch keinem Menschen, wohin wir von hier aus gingen. Auch der Wirt erfuhr es nicht.
Am Abend kehrten die Verfolger der Pferdediebe heim; sie hatten keinen einzigen von ihnen erwischt. Und der, welchen wir freigelassen hatten, schien doch nicht gleich wieder zum Dieb geworden zu ein, denn wir hörten davon, daß irgend jemandem ein Pferd weggekommen sei, nichts. Schon am nächsten Morgen verließen wir die Stadt, um in westlicher Richtung zunächst hinauf nach dem sogenannten Parkplateau zu kommen. Nicht einmal einen ganzen Tag waren wir in Trinidad gewesen. Und doch, so kurz dieser Aufenthalt, so bedeutend waren seine Folgen für uns. Das wenigste davon war, daß wir nun zu vieren anstatt zu zweien ritten und daß wir nun infolge des Zeltes und seiner Ausstattung imstande waren, uns die Reise bequemer zu machen, als dies uns vorher als möglich erschienen war. Die Verteilung der Tiere war so, wie ich schon angegeben habe. Meine Frau, ich und der ‚Junge Adler‘ hatten die Fliegenschimmel, während Pappermann das beste der Maultiere ritt und die drei anderen zum Tragen des Zeltes und des Lederpaketes des Indianers verwendete. Was für Dinge oder was für einen Gegenstand dieses Paket enthielt, das wußten wir nicht. Wir fragten auch nicht danach. Dem Gewicht nach schien es Eisen zu sein, aber kein gewöhnliches, sondern sehr wertvolles Eisen. Das schlossen wir aus der Sorgfalt, welche der Eigentümer während des Auf- und Abladens auf das Paket verwendete.
Es ist mir für das, was ich zu erzählen habe, leider nur der Raum eines einzigen Bandes gestattet, während ich mit diesen Ereignissen doch recht gut vier oder auch fünf Bände füllen könnte, ohne meine Leser zu ermüden. Darum muß ich so kurz wie möglich sein und so manches auslassen, was ich nur sehr ungern übergehe. Dahin gehört vor allen Dingen die ausführliche Beschreibung des Weges, den wir nahmen. Ich muß mich darauf beschränken, zu sagen, daß es hinauf nach dem Ratongebirge ging, hinter dem das herrliche Tal des Purgatorio sich niedersenkt, um es von den gigantischen Massen des ‚spanischen Pik‘ zu trennen.
Es war ein großes, ein herrliches Gebiergspanorama, dem wir entgegenritten. Wir kamen ihm von Stunde zu Stunde näher, bis wir es erreicht hatten und uns dann immerfort inmitten von landschaftlichen Schönheiten befanden, die kein Ende nehmen wollten, sondern sich im Gegenteil stetig vermehrten und vergrößerten. Meine Frau, die jetzt zum ersten Mal mit da drüben war und stets gelächelt hatte, wenn ich der Meinung gewesen war, daß die Schönheiten des Harzes, des Schwarzwaldes, ja sogar der Schweiz sich unmöglich mit den landschaftlichen Wundern der Vereinigten Staaten vergleichen können, sah sich jetzt gezwungen, diesen Zweifel fallenzulassen. Sie wurde still, ganz still. Und wenn sie das wird, so störe ich sie nicht, denn ich weiß, daß diese Wortlosigkeit bei ihr die Stille der Anbetung ist.
Es war um die Mittagszeit des dritten Tages, als wir an einem klar fließenden Wasser haltgemacht hatten. Da sprach ich mit ihr über die Unterschiede der landschaftlichen Schönheiten der Ebene und der Berge. Der ‚Junge Adler‘ hörte nach seiner Gewohnheit bescheiden schweigsam zu. Pappermann gab zuweilen ein treffendes Wort dazu, denn er hatte sehr viel gehört und sehr viel nachgedacht und war trotz der Niedrigkeit seines Lebensweges keineswegs unbegabt. Jetzt sagte er:
„Diesen Unterschied werdet Ihr morgen in einem sehr sprechenden Beispiel vor Augen haben. Da kommen wir an einen ‚See der Ebene‘, der aber zwischen himmelhohen Bergen liegt.“
„Kenne ich ihn?“ fragte ich.
„Weiß nicht“, antwortete er. „Es ist der Kanubisee.“
„Von dem habe ich gehört. Sein Ebenbild oder vielmehr sein Urbild liegt im Staate Massachusetts. Ich bin von Lawrence aus dort gewesen. Dieser letztgenannte Kanubisee spielt in der Vergangenheit einiger Indianerstämme, besonders der Seneca, eine sehr wichtige Rolle. Seine im Sonnenschein funkelnden Wasser, seine weit und schön ausgebuchteten, mit sattem Grün
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