Blutspuk in Venedig
»Wieviel Fanpost ist heute eingetroffen?«
Sid Arnos schaute hoch. Wie immer hatte Rock Paretti sehr kalt, arrogant und unpersönlich gesprochen. Es war eben seine Art, Menschen auf diese Art und Weise zu behandeln. Er war der Star, und solange er gut zahlte, war es Sid Arnos, dem Sekretär, egal, wie man ihn ansprach.
»Drei Briefe, Rock!«
»Was?« Paretti blieb stehen, als hätte ihn der plötzliche Anblick deiner Person geschockt. »Drei nur?«
»So ist es.«
»Scheiße!« Paretti hob die Arme und spreizte die Finger. Er bewegte sie, als wollte er in der Luft auf dem Klavier spielen. »Das muß sich ändern, Sid, verstehst du?«
»Sicher.«
Paretti blickte Arnos starr an. »Sieh zu, daß du eine Kampagne anlaufen läßt. Laß dir was einfallen! Ich muß wieder in die Presse. Ich brauche Öffentlichkeit. Ich brauche alles. Printmedien, TV«, er holte Luft und suchte dabei nach Worten. »Ich brauche auch Skandale. Nicht zu große, nicht zu kleine. Dinge, die in der Mitte stehen, die man einem Mann wie mir verzeiht, weil ich eben ein Star bin. Laß dir was einfallen, Sid, und zwar schnell.«
»Das wird schwer sein.«
»Weiß ich, aber ich bezahle dich gut. Ich habe meine Ideen auf dem Klavier und im Studio. Du bist doch derjenige, der den Kontakt zu den Medien hält – oder?«
Arnos nickte. Er schaute dabei auf die Tür, die zu Parettis Büro führte.
Sie hatten die beiden Räume nahe des Piccadilly gemietet, um irgendwelche Verhandlungen nicht in Hotels führen zu müssen.
»Warum sagst du nichts?«
»Ich denke nach, Rock.«
»Schön. Und wie sieht der Erfolg aus?«
»Es gibt ihn noch nicht.«
»Ach ja?«
»Mir ist da eine Idee gekommen, aus der man vielleicht etwas machen könnte!«
Paretti fand seinen Platz zwischen zwei Fenstern. Er baute sich dort auf und berührte mit dem Rücken die Wand. »Ich höre, Sid.«
»Du hast doch den Palazzo gekauft.«
»Ja.«
»Daraus könnte man was machen.«
»Was?«
Der Sekretär hob die Schultern. »Ich weiß es nicht, aber mir wird schon etwas einfallen, wenn ich nach Venedig fliege.«
Paretti lachte kalt. »Dort willst du hin?«
»Sollte ich doch.«
»Ach ja, stimmt. Jemand muß die Renovierungsarbeiten überwachen.«
Der Rockstar nickte. »Nicht schlecht. Wann wolltest du fliegen?«
»Morgen.«
»Auch gut. Und weiter?«
»Ich habe mir gedacht, daß wir den Kauf medienwirksam in Szene setzen. Großer Rockstar kauft kreative Stätte in Venedig. Fühlt sich der europäischen Kultur und Geschichte verbunden. Moderne Topmusik inmitten alter Mauern. Könnte dir das gefallen? Es ist nur eine erste Idee gewesen, und du weißt selbst, wie oft man sie umwirft, aber eine Basis hätten wir damit schon. Außerdem solltest du, wenn du hinziehst, eine große Einweihungsfete geben und dabei nicht nur Typen aus der Szene einladen, sondern auch die Vertreter der Medien. Mädchen werden auch genügend kommen, so daß eigentlich alles seinen normalen Weg gehen kann. Ist ein Vorschlag, Rock.«
Paretti nickte.
Dieses Nicken kam bei Sid Arnos gut an. Er war ja froh, daß sein Chef nicht tobte, denn so etwas passierte leicht, wenn ihm etwas nicht paßte.
Für seine Wutausbrüche war Rock Paretti berühmt und berüchtigt.
Diesmal krauste er nur die Stirn, strich über sein glattes Haar, das im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden war. »Könnte was werden.«
»Danke, Rock.«
»Wozu?«
»Daß du es nicht abgelehnt hast. Du wirst übrigens in der nächsten Woche schon einziehen können, die Arbeiten gehen zügig voran.«
»Woher weißt du das?«
»Ein Bekannter von mir hält sich in Venedig auf. Ich habe ihn gebeten, mal nachzuschauen. Er meinte, daß alles okay wäre.«
»Ja. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Du wirst selbst hinfliegen und dich umschauen.« Paretti deutete mit dem Zeigefinger auf Sid Arnos.
»Und zwar morgen.«
»Das Ticket ist bereits reserviert.«
Der Rockstar lachte. »Weißt du was, Sid? Manchmal wirst du mir direkt unheimlich.«
Der Sekretär lächelte. »Was heißt unheimlich? Ich bin es eben gewohnt, mitzudenken.«
»So kann man es auch sehen.« Paretti löste sich von seinem Platz und wanderte auf seine Bürotür zu. »Gibt es noch irgend etwas, das ich wissen müßte?«
»Jaaa…« Arnos dehnte die Antwort. »Da wäre noch was.«
»Und?«
»Ein vierter Brief.«
»Wie toll.« Parettis Lachen klang kalt. »Ein kleiner Hoffnungsschimmer der Fans?«
»Das denke ich nicht.« Sid Arnos hob einen braunbeigen,
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