Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
04 - Winnetou IV

04 - Winnetou IV

Titel: 04 - Winnetou IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
geschmückten Inseln und Ufer waren so recht geeignet, der friedlichen Entwicklung des Stammeslebens als Unterlage zu dienen. Ich konnte mich von dem Anblick dieses Sees kaum trennen. Ich weiß, daß man einem hier oben liegenden Bergsee denselben Namen gegeben hat und bin neugierig, zu sehen, ob er ihn verdient.“
    „Wahrscheinlich verdient er ihn“, sagte Pappermann.
    Er holte dabei tief, tief Atem.
    „Wart Ihr mehrmals da?“ fragte ich.
    „Wie oft! – Wie oft!“
    Wieder tat er einen tiefen Atemzug. War dieser See vielleicht eine Stätte trüber Erinnerungen für ihn? Ich schwieg, um ihm nicht weh zu tun. Er sah lange, lange vor sich hin, dann begann er selbst damit:
    „An diesem See habe ich jenen niederträchtigen Schuß in das Gesicht bekommen, der mich für das ganze Leben entstellte und verbitterte.“
    „Von wem?“ fragte ich.
    „Von einem gewissen Tom Muddy. Habt Ihr vielleicht jemals von diesem Schurken gehört?“
    „Nein.“
    „Er hieß wohl eigentlich nicht so, sondern anders. Seinen eigentlichen Namen habe ich nicht erfahren.“
    „Seid Ihr ihm wieder begegnet?“
    „Niemals, niemals, leider, leider! – Obgleich ich ein ganzes Menschenleben lang nach ihm gesucht habe, wie der Bettler nach dem ersparten Dollar, den er verloren hat und nicht wiederfinden kann. Ich spreche nicht gern davon; aber wenn es mich überkommt, wie stets, sobald ich den See erblicke, so erzähle ich es Euch vielleicht heute abend. Für jetzt will ich Euch nur sagen, daß das mit den Seneca richtig ist.“
    „Was?“
    „Das sie da unten in Massachusetts am Kanubisee wohnten. Wißt Ihr ihren eigentlichen Namen? Wie sie eigentlich heißen?“
    „Ja. Senontowana.“
    „Das stimmt. Der Name Seneca ist ihnen von den Weißen gegeben und aufgezwungen worden. Einer ihrer größten Häuptlinge hieß Sago-wat-ha. Er liegt in Buffalo begraben. Man hat ihm da ein großes Denkmal gesetzt –“
    „Obgleich er vor seinem Tod gebeten hat, ihn nur unter seinen roten Brüdern zu begraben, nicht etwa bei Bleichgesichtern!“ fiel meine Frau da ein.
    „So kennt Ihr ihn? Habt von ihm gehört?“ fragte er sie.
    „Wir waren an seinem Grab“, antwortete sie.
    „Gott segne Euch dafür! Ich meine nämlich, wenn Ihr ein Grab besucht, so tut Ihr das nicht aus Neugierde, sondern weil Euch das Herz dazu treibt. Und ich habe eine ganz besondere Vorliebe grad für die Nation der Seneca.“
    „Aus welchem Grund?“
    „Weil – – weil – – weil – – – hm! Ich werde es Euch heute abend erzählen, nicht aber jetzt. Herunter muß es nun doch einmal, weil diese alte Saite begonnen hat, zu klingen und zu zittern und gewiß nicht eher wieder aufhört, als bis wir den See im Rücken haben. Für jetzt aber erlaubt, daß ich schweige!“
    Der Nachmittag führte uns immerwährend bergan, bis wir eine Höhe erreichten, von welcher aus wir über eine weite, unter uns liegende, sich nach Westen dehnende Hochebene blickten. Die Sonne war im Sinken. In ihrem Strahl leuchtete aus der Mitte der Ebene ein großer funkelnder Diamant herauf zu uns, der rundum von einem weiten Kranz grüner Smaragde eingefaßt schien, deren Konturen flimmerten und glühten.
    „Das ist der Kanubisee“, sagte Pappermann. „So nahe er uns zu liegen scheint, so weit ist er entfernt. Drei Stunden sind es von hier aus, bis man ihn erreicht. Darum lagern wir hier. Und zwar, wenn es Euch recht ist, an demselben Ort, an dem ich schlief, als ich zum ersten Male in diese Gegend kam.“
    Er führte uns nach einer auf drei Seiten ganz und auf der vierten auch noch halb eingeschlossenen Stelle, welche sehr guten Schutz gegen den hier oben sehr kühlen Nachtwind bot. Ein Wasser war in der Nähe. Futter für die Pferde gab es auch. So konnten wir uns also keinen besseren Lagerplatz wünschen. Das Zelt wurde schnell errichtet und ein Feuer angebrannt. Das Zelt war immer nur für meine Frau. Wir Männer zogen es vor, im Freien zu schlafen. Es war jetzt die wundersame Zeit des Indianersommers, in der man es selbst auf solcher Höhe des Nachts außerhalb des Zeltes aushalten kann.
    Während des Essens wurde es Abend. Der Mond ging auf. Er stand im ersten Viertel. Die Luft war ohne Nebel, vollständig rein und klar. Wir konnten weit sehen, fast so weit wie am Tage, nur daß die Konturen jetzt unbestimmter waren und ineinander flossen. Der leuchtende Diamant war jetzt zur weißsilbernen Perle geworden. Pappermann begann, ohne von uns aufgefordert worden zu sein, zu

Weitere Kostenlose Bücher