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040 - Paris, Stadt der Sünde

Titel: 040 - Paris, Stadt der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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mehr alte unappetitliche Erinnerungen sich in ihr Gedächtnis drängten, desto schmutziger fühlte sie sich.
    „Können wir gehen?“, fragte sie kühl.
    Schweigend führte er sie weiter. Ein seltsames Gefühl, in völliger Dunkelheit an der Seite eines Mannes zu gehen, dessen körperliche Nähe sie verwirrte. Nicht irgendein Mann – der Fürst der Finsternis persönlich, wie er sich zu nennen pflegte. Allerdings hatte er sich ihr gegenüber bislang tadellos verhalten, sich keine Freiheiten herausgenommen, und er schien tatsächlich die Absicht zu haben, ihr helfen zu wollen, was keineswegs zu den Gerüchten passen wollte, die sie über ihn gehört hatte. Der Comte de Giverney, Viscount Rohan, der Begründer und Anführer des Satanischen Bundes, handelte ausschließlich in eigenem Interesse. Trotz der Höflichkeit, mit der er sie behandelte, wuchsen ihre Beklommenheit und Unruhe von Minute zu Minute.
    Sie hörte, wie Türen geöffnet wurden, wobei ihr Begleiter keine Bewegung gemacht hatte. Vermutlich standen während dieser ausschweifenden Orgien an jeder Tür livrierte Diener, um die Wünsche der Gäste zu erfüllen. Keiner dieser lasterhaften Müßiggänger hatte je einen Gedanken daran verschwendet, woher Geld für die nächste Mahlzeit käme, sich je um die Sicherheit einer jüngeren schönen Schwester Sorgen gemacht oder darum, wie man die eigene Mutter daran hindern sollte, den letzten Groschen zu verspielen.
    „Sie zerknittern mein Hemd“, raunte er an ihrem Ohr. „Klammern Sie sich nicht so fest an mich. Es wird Ihnen nichts geschehen, glauben Sie mir.“

    Hätte sie einen Hang zur Rührseligkeit gehabt, hätte sie zu weinen begonnen. Sie hätte ihre Seele dafür verkauft, einen Menschen zu kennen, der ihr die drückenden Sorgen abgenommen hätte, doch dann entsann sie sich, wo sie war und wer sie begleitete. Der Wunsch, ihre Seele zu verkaufen, war in der gegebenen Situation mehr als gefährlich.
    „Ich bin in Eile“, sagte sie und versuchte, sachlich zu klingen.
    „Warum?“
    „Wir müssen die Kutsche zurückbringen ...“ Sie biss sich auf die Zunge.
    „Damit schneiden Sie einen interessanten Punkt an. Sie erwecken nicht den Eindruck, sich in Paris eine Kutsche halten zu können. Ich bezweifle auch, dass Sie die Mittel hätten, eine Droschke zu mieten. Was haben Sie getan? Eine Kutsche gestohlen?“
    „Wohl kaum“, antwortete sie mit einem nervösen Lachen. „Es schmeichelt mir, dass Sie mich für dreist genug halten, mich als Kutscher auszugeben und mit dem Wagen eines reichen Mannes loszubrausen.“
    „Ich staune über Ihren Einfallsreichtum, Madame Harriman. Aber nein, Sie müssen Hilfe gehabt haben.“ Unvermutet ließ er ihren Arm los. „Bleiben Sie einen Moment stehen, und rühren Sie sich nicht vom Fleck.“
    Sie zwang sich, nicht die Hände nach ihm auszustrecken, ihm nicht nachzurufen: Lassen Sie mich nicht allein . Sie nickte beklommen, obwohl sie nicht wusste, ob er es sehen konnte.
    Schwindel drohte sie zu übermannen, als sie allein mit verbundenen Augen in einem überfüllten Raum stand. Hier schien ihr niemand Beachtung zu schenken, und den Geräuschen entnahm sie, dass sie sich im Spielsalon befand. Hier müsste sie ihre Mutter finden. Sie schob die Augenbinde nach oben in die Stirn.
    Und erstarrte. Einige Gäste saßen an Spieltischen, manche nur spärlich bekleidet.
    Auf Sofas und Polstersesseln wanden sich nackte Körper in grotesken Stellungen des Paarungsaktes.
    Sie hatte zu lange in Elendsvierteln gelebt, um bei diesem Anblick vor Entsetzen die Flucht zu ergreifen. In engen Gassen und stinkenden Hinterhöfen hatte sie zu oft gesehen, wie billige Dirnen sich für ein paar Münzen an geile Männer verkauften.
    Elinors größere Sorge bestand darin, ob ihre Mutter vor einem Gast kniete und ihren Mund ...
    Die Binde wurde ihr jäh wieder über die Augen gezogen und ersparte ihr weitere Einzelheiten des unappetitlichen Treibens. „Sie sind eine sehr ungehorsame Person, nicht wahr?“
    Sie verdrängte die obszönen Bilder. „Wäre ich sonst hier? Als gehorsame Tochter säße ich zu Hause und würde händeringend auf die Rückkehr meiner Mutter warten.
    Wie mich die Erfahrung lehrte, würde ich allerdings vergeblich warten.“
    Rohan überhörte ihre Bemerkung. „Ich habe Ihren Kutscher mit der entwendeten Kutsche zurückgeschickt. Wenn er Glück hat, stellt er sie wieder in den Hof des Bois d’Or, bevor jemand ihr Fehlen bemerkt. Vermutlich hat er sie in diesem

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