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040 - Paris, Stadt der Sünde

Titel: 040 - Paris, Stadt der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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befürchte, dann wird er sich nicht länger hinhalten lassen.“ Elinors kleine Schwester war im Gegensatz zu ihr hübsch, liebenswürdig und klug, und ihre Handarbeiten glichen wahren Kunstwerken. Sie war eine anmutige Tänzerin, obwohl ihre Mutter nach den wenigen Unterrichtsstunden vor ein paar Jahren kein Geld mehr dafür erübrigen konnte. Sie malte hübsche Aquarelle und sang wie eine Nachtigall. Und jeder Mann in ihrem Bekanntenkreis wurde ihr williger Sklave, angefangen von Jacobs, dem alten Diener, bis hin zu dem vermögenden jungen Vicomte de Miraboux, den sie in der Leihbibliothek kennengelernt hatte. Für kurze Zeit hatte Elinor gehofft, ihre Probleme könnten durch ihn gelöst werden. Doch bald hatte die Familie des Vicomtes von der Verbindung Wind bekommen, und der vielversprechende Spross aus adeligem Hause war auf eine ausgedehnte Europareise geschickt worden.
    Vermutlich hatten die Eltern Lydia sogar Geld geboten, dachte Elinor und rieb sich die kalten Hände, aber ihre Schwester war gewiss zu stolz gewesen und hatte das schnöde Angebot abgelehnt. Eine Harriman ließ sich nicht kaufen. Doch nun, da M. Picot wieder einmal den ausstehenden Mietzins forderte, wäre Elinor bereit, beinahe alles tun, um ihre kleine Familie vor dem totalen Ruin zu retten.
    Lady Caroline war nun schon seit Tagen krank. Geld für einen Arzt oder Medikamente war nicht vorhanden, und das Fieber, das ihren Körper schüttelte und ihren ohnehin leicht verwirrten Verstand noch mehr trübte, erwies sich in gewisser Hinsicht auch als Segen. So war sie gezwungen, das Bett zu hüten, und konnte die Familie nicht noch tiefer in Schulden stürzen.
    „Nun erzähle schon. Wie war dein Besuch beim Anwalt, Nell?“, bat Lydia, die sie immer noch bei ihrem Kosenamen aus Kindertagen nannte. „Hat Vater uns ein Vermögen hinterlassen, um Maman den Lebensabend zu versüßen? Oder gönnt er uns nur ein paar armselige Pennies?“
    „Es gibt eine Hinterlassenschaft, wobei ich nicht annehme, dass es sich um ein Vermögen handelt“, gab Elinor düster Auskunft. „Titel und Landbesitz gingen an einen Mr Marcus Harriman. Uns steht eine kleinere Summe zu, deren Höhe ich allerdings noch nicht kenne. Wenn es nach Vater gegangen wäre, hätte er uns vermutlich gar nicht in seinem Testament bedacht.“ Wohlweislich verschwieg sie, dass ein etwaiger Erbteil nominell ihr allein zugedacht war. Lydias Herkunft war nebulös, hatte allerdings definitiv nichts mit Elinors Vater zu tun, das wusste alle Welt. Nach englischem Gesetz galt ein in der Ehegemeinschaft gezeugtes Kind allerdings als gesetzlicher Abkömmling des Ehemanns, wobei ihr Vater alle Anstrengungen unternommen hatte, seiner geschiedenen Frau und deren Tochter jegliche Unterhaltszahlungen zu verweigern.
    Lydia seufzte. „Vielleicht lässt M. Picot sich noch eine Woche vertrösten, wenn ich ihm ein paar Freizügigkeiten gestatte. Ein Küsschen kann doch nicht sooo schlimm sein, wenn wir damit unser Dach über dem Kopf behalten.“
    „Nein!“ Elinor hatte wieder einmal eine Masche fallen gelassen, warf das Strickzeug verärgert beiseite und bedachte ihre Schwester mit einem tadelnden Blick. „Der Rechtsanwalt versicherte mir, dass Vater uns im Testament bedacht hat.
    Anscheinend ist daran eine Klausel geknüpft, wonach ich nach England reisen muss, um das Erbe antreten zu können. Ich wünschte nur, wir hätten früher von seinem Tod erfahren. Dann hätten wir schon vor Monaten entsprechende Schritte unternehmen können. Vermutlich wurde die Todesanzeige an unsere alte Adresse geschickt. Und da wir bei Nacht und Nebel unter Hinterlassung offener Rechnungen verschwinden mussten, hatte niemand Interesse daran, uns die Post nachzusenden.
    Ich rechne mit einer stattlichen Summe. Papa würde seine Töchter nicht verhungern lassen.“
    Lydia lächelte dünn. „Hör auf, die Dinge schönzureden und mir etwas vorzumachen.
    Er hat immer wieder betont, dass er nichts mit dem Balg der Hure zu tun haben will, mit der er einmal verheiratet war. Warum sollte er seine Meinung auf dem Sterbebett geändert haben?“
    „Damals war er voll Hass und Groll, nachdem Mutter ihn verlassen und zum Gespött von ganz London gemacht hatte. Irgendwann wird er zur Einsicht gekommen sein, dass er Verantwortung für seine Familie trägt.“
    „Hat er nicht immer wieder behauptet, wir seien ihm untergeschoben worden?“
    Elinor hatte nur vage Erinnerungen an ihren Vater, einen herrischen und unleidlichen Mann, dem

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