0401 - Das Vampir-Internat
mich, aus welch einem Grunde er bei mir nicht so reagierte wie bei den Kindern.
Darüber sprach ich mit Bill. Der wusste auch keine Antwort, aber Jenny Deylen mischte sich ein.
»Vielleicht hat es daran gelegen, dass Sie das Spiel noch nicht gespielt haben.«
Ich starrte sie an. »Wie kommen Sie darauf?«
»Nur so.«
»John, da kann sie Recht haben«, meinte der Reporter.
Ich nickte. »Dann müssten wir also einen Versuch wagen.«
Die Lehrerin erschrak. Bill hob die Schultern, hatte aber ansonsten keine Einwände.
Ich schob einen Stuhl heran und setzte mich dem Reporter gegenüber. Jenny Deylen hatte noch Einwände. »Wollen Sie tatsächlich das Spiel durchziehen?«
»Ja.«
»Kann ich gehen?«
»Und wohin?«
»Zu den Kindern.«
»Nein, bleiben Sie mal hier. Sie können beobachten, während mein Partner und ich uns näher mit dem Spiel beschäftigen.« Ich legte den Chip in die kleine Ausbuchtung des Spielkastens, seinen richtigen Platz.
Kleine Silberpüppchen fanden wir, ebenfalls einen Metallwürfel, dann ging es los.
Schweigen breitete sich aus. Natürlich saß ich wie auf heißen Kohlen, aber ich musste das Spiel zu Ende bringen. Zudem hatten wir uns einen günstigen Zeitpunkt ausgesucht, denn der Unterricht begann mit einer Doppelstunde. Erst danach war Pause.
Zunächst sah es so aus, als würde ich gewinnen, dann aber holte Bill auf. Er hatte beim Würfeln eine Glückssträhne erwischt, warf mehrere Sechser hintereinander und näherte sich immer mehr meiner Puppe. Wenig später hatte er sie überholt. Es lag noch eine Kurve vor ihm, bis er das Ziel erreichte.
Diesmal holte ich auf. Drei Felder vor dem Ende hatte ich ihn erreicht.
Jetzt entschied der letzte Wurf.
Die Spannung wuchs. Ich hielt meinen Würfel noch in der geschlossenen Hand, bewegte sie, dann rollte der Würfel aus der Fläche über den Tisch, blieb liegen und zeigte eine Zwei.
»Jetzt du, Bill.«
Der Reporter nahm den Würfel. Seine Lippen waren fest zusammengepresst. Er schielte auf das Brett, seine Lippen zuckten, dann würfelte er. Ich beobachtete den Lauf, der erst kurz vor der Tischkante gestoppt wurde.
Eine Drei!
Bill schaute mich an. »Und damit habe ich gewonnen«, erklärte er.
»Bitte.«
Er fasste seine Spielpuppe an. Plötzlich war er noch gespannter.
Ich hatte das Gefühl, als traute er sich nicht, die letzten drei Felder vorzugehen.
»Mach, du bist Sieger.«
»Und dann?«
»Werden wir weitersehen, ob Miss Deylen mit ihrer Vermutung Recht behalten hat.«
Und Bill schob die Puppe vor. Sehr akribisch. Das erste Feld, das zweite, das dritte – und er war am Ziel.
Der Reporter ließ den Atem über seine Lippen strömen. »Gewonnen«, sagte er leise.
Ich deutete auf den Chip. »Nimm ihn!«
Bill schaute mich noch einmal an. Auf seinen Handflächen entdeckte ich Schweiß. Dann nickte er entschlossen und griff ebenso entschlossen zu.
Er nahm den Chip aus der Mulde und hielt ihn fest umklammert.
Ich wollte ihn schon fragen, ob er etwas spürte, als Bill sich ruckartig erhob. Gleichzeitig wurde sein Gesicht blass. Sichtbar für mich trat aus den Poren der Schweiß. Mein Freund beugte sich vor, stützte seine freie Hand auf die Tischkante und ächzte: »John!«
Er hatte meinen Namen so ausgesprochen, dass es mir kalt den Rücken hinablief.
Und noch einmal stöhnte er. »John!«
»Was ist?« Auch ich drückte mich hoch.
»Ich spüre etwas. Da kommt jemand auf mich zu. Verdammt, John, ich…«
»Weg mit dem Chip!«
Er tat es nicht. Stattdessen ging er so heftig zurück, dass der Stuhl umkippte.
Ich war blitzschnell. Bevor Bill reagieren konnte, packte ich sein rechtes Handgelenk, wollte die Finger zurückbiegen, doch Bill schmetterte mir seine linke Faust in den Leib, dass ich zurückgeschleudert wurde und keine Luft mehr kriegte. Fast wäre ich gegen Jenny Deylen gefallen, die soeben noch ausweichen konnte. Dafür stieß ich mit dem Rücken gegen das Bett, krümmte mich und versuchte zu atmen. Der Treffer hatte mich völlig überraschend erwischt. Ich war überhaupt nicht darauf vorbereitet gewesen und kämpfte nun verzweifelt gegen die Schwäche an, die sich in meinem Innern ausbreitete.
Ich kam nicht mehr hoch. In den Knien schien sich Blei festgesetzt zu haben. Auch die Füße waren schwer geworden, und erst Jenny Deylens Ruf riss mich aus dieser Schwäche.
»Mein Gott, Mr Conolly!«
Ich starrte zur gegenüberliegenden Seite des Zimmers, wo das zweite Bett stand.
Bill lag auf ihm. Er hatte sich in
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