0401 - Das Vampir-Internat
fast paradox und unwirklich, dass aus einer anderen Klasse Gesang tönte. Er erreichte den Flur und unsere Ohren. Die hohen, hellen Kinderstimmen verbreiteten eine Fröhlichkeit und Sorglosigkeit, die nicht mehr vorhanden war.
Ich deutete auf die Klassentür. »Kann man sie abschließen? Jetzt?«
Die Lehrerin fühlte sich angesprochen. »Ja, ich habe den Schlüssel bei mir.«
»Fantastisch.«
Jenny Deylen kramte in ihrer Umhängetasche, die sie mitgenommen hatte. Während dessen beobachteten Bill und ich mit gespannten Gesichtern die Tür.
Da tat sich nichts.
Es blieb alles ruhig innerhalb der Klasse. Keine Schritte waren zu hören, niemand unternahm auch nur den Versuch, die Tür zu öffnen und uns zu verfolgen.
Endlich hatte die Lehrerin den Schlüssel gefunden. Ihre Hand zitterte. Es war ein Wunder, dass er ihr nicht aus den Fingern glitt.
Bill nahm ihn an sich und führte ihn in das simple Türschloss.
Zweimal konnte er ihn herumdrehen. Wenn die Vampir-Schüler das Klassenzimmer verlassen wollten, mussten sie die Tür aufbrechen. Natürlich konnten sie jederzeit entkommen, wenn sie nur wollten. Da gab es noch die Fenster, die sie nur zu öffnen brauchten.
Zum Glück blieb es in den anderen Klassen ruhig. Dort wurde der Unterricht normal weitergeführt. Dieser Vampirkeim war auf diese eine Klasse beschränkt.
Ich konnte nur hoffen, dass es so blieb.
Jenny Deylen war nervös. Ihr Blick zeigte Unruhe und flackerte.
»Sollen wir jetzt die Polizei rufen?« hauchte sie.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, meine Liebe, die kann uns auch nicht helfen. Außerdem sind wir von der Polizei.«
»Was wollen Sie dann tun, Mr. Sinclair? Sie müssen etwas unternehmen.« Das Flehen zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. In den Augen glitzerten Tränen.
»Vor allen Dingen sollten wir die Ruhe behalten, Miss Deylen«, erklärte Bill.
Sie lachte auf. »Das sagen Sie so.«
»Nein, mein Freund hat Recht«, stand ich Bill bei. »Diesen Fall können wir nicht in Hektik lösen. Nur die Ruhe muss es bringen. Und all dieser Schrecken hat eine Ursache.«
»Sie forschen nach einem Motiv?«
»Ja, Miss Deylen.«
»Wissen Sie schon mehr?«
Ich nickte. »Lord Acron. Wer oder was ist dieser Lord Acron?« Ich schaute auf den Chip, den ich nicht wieder eingesteckt hatte. »Hat dieses Ding etwas mit Lord Acron zu tun?«
Die Lehrerin nickte und hob gleichzeitig die Schultern. »Ja, die Kinder haben des öfteren davon gesprochen. Nur kann ich mir nicht vorstellen, dass es etwas mit ihrem Zustand zu tun haben soll. Lord Acron kenne ich. Das ist ein Spiel, wie man mir sagte.«
»Und die Kinder besitzen es?«
»Jawohl. Sie reden oft davon.«
»Haben Sie es schon gesehen?« fragte Bill. »Dann müssten Sie auch wissen, wo es sich befindet. Erst wenn wir es näher untersuchen, können wir unter Umständen die Kinder von diesem Fluch befreien.«
»Aber nicht mit Garantie!«
»Das leider nicht, Miss Deylen.«
Die Lehrerin nickte. Wir sahen ihr an, dass sie scharf nachdachte.
»Das Spiel gehört einem Jungen«, murmelte sie. »Aber ich weiß im Augenblick nicht, wem…«
»Existiert davon nur eines?« hakte ich nach.
»Keine Ahnung. Ich jedenfalls habe einen Schüler damit gesehen. Er trug es unter dem Arm.«
Meine nächste Vermutung schoss ich aufs Geradewohl ab. »Kann das vielleicht Peter Wade gewesen sein?«
Jenny Deylen trat einen Schritt zurück. Sie ballte die Hand, nickte und schaute mich aus großen Augen an, bevor sie eine Antwort gab.
»Ja, ich glaube.«
»Dann gehen wir in sein Zimmer.«
»Ja, das gibt es auch.«
»Obwohl sie in einem Gemeinschaftsraum schlafen?« fragte Bill.
Miss Deylen hob die Schultern. »Wir haben uns nach langer Diskussion darauf eingelassen, weil die Klasse es einmal ausprobieren wollte. Das sollte kein Zustand auf Dauer sein.«
»Gehen wir zum Zimmer des Jungen.« Ich hatte es eilig und wollte keine Zeit verlieren. Zwar passte es mir nicht, die Klasse aus dem unmittelbaren Bereich der Beobachtung zu lassen, aber es gab einfach keine andere Möglichkeit für uns.
Und so schlossen wir uns Jenny Deylen an, die uns zum Treppenhaus führte.
In der nächsten Etage wandten wir uns nach links, denn dort führte der Gang in einen Anbau hinein. Dort lagen die Zimmer der Kinder. Da sich die Schüler samt und sonders in den Klassen befanden, fiel die Ruhe in diesem Teil des Gebäudes besonders auf.
Nur einmal kam uns eine Putzfrau entgegen, die einen schweren Bohnerbesen hinter sich
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