0405 - Fluchtweg durch die Unterwelt
einen Spalt geöffnet hatte, und konnte so die Tür des Waschraums sehen. Sekunden sah ich dunkelblaue Schuhe und ebensolche Florstrümpfe. Ich zog mich augenblicklich zurück.
Und dann sah ich sie. Ich erkannte nichts von ihr wieder. Ohne die scharfe Überwachung hätte ich sie glatt passieren lassen.
Sie war jetzt eine ältere Dame, die gebückt am Stock ging und ihre Wangen herrlich ausgepolstert hatte.
Die Dame hatte inzwischen zugenommen. Sie war oben herum stärker geworden. Ich konnte ihr meine Hochachtung vor dem technischen Teil ihres Bravourstückchens nicht versagen. Der Plan war wirklich tadellos und wäre wohl in den meisten Fällen durchgegangen.
***
Miss Gelb, um sie weiter so zu nennen, kam in die Hausratsabteilung hinein und bog nach links um die Ecke. Das hatte ich mir gedacht. Ich war schon auf dem Weg zu den Fahrstühlen.
Die Frage war jetzt, ob sie nach oben oder unten wollte. Ich setzte im stillen mein Hab und Gut auf unten, weil sie natürlich so schnell wie möglich mit der Beute in ihren Schlupfwinkel wollte, wo die Gangster schon auf sie warteten, und da hatte ich denn auch schon verloren.
Sie steuerte nach einem Blick auf die über den Türen blinkenden Leuchtpfeile auf den letzten Schacht zu, dessen Kabine eben vom zweiten Stock heraufkam.
Unsere Miss Gelb stieg ein, und ich folgte ihr mit meinem Karton unter dem Arm und einem müden Zug um den Mund. Außer mir stiegen noch zwei Herren zu, die sie ganz besonders aufs Korn zu nehmen schien, was sie allerdings so unauffällig wie möglich machte. Mich, der ich da ohne Hut mit dem Karton stand, ordnete sie wohl unter Personal ein.
Verkleidungen, die eigentlich keine sind, hielt ich schon immer für die wirkungsvollsten.
Die beiden von Miss Gelb verdächtigten Herren blieben im Fahrstuhl, während sie im 1. Stock hinausging. Ich ging, nachdem ich meine Dollarfee mit einer höflichen Verbeugung vorbeigelassen hatte, was sie kaum quittierte, mit meinem Karton eilig nach rechts ab, während sie zum Erfrischungsraum strebte.
Kaum war sie hinter den Glasscheiben verschwunden, als ich zum Treppenhaus spazierte und meinen melodischen Pfiff in die Tiefe schickte. Um dem Kollegen Bolt das Leben zu erleichtern, schickte ich per Morsezeichen eine gepfiffene Acht, drei lang zwei kurz, woraufhin er den nächsten Fahrstuhl nahm.
Miss Gelb konnte uns nicht sehen, auch nicht auf dem Umweg über ein oder zwei Spiegel, wobei ich sogar die verchromte Kaffeemaschine mit einkalkulierte.
Die Dame da drinnen würde sicher erst einmal einigen Verzehr haben, um die vielleicht flatternden Nerven zu beruhigen. Wir konnten uns daher in Ruhe zurückziehen und die Lage besprechen, wobei wir weder die Fahrstühle noch das Treppenhaus vergaßen.
Das nächste war die Benachrichtigung der unten wartenden Kollegen, was Bolt sofort übernahm. Er fuhr nach unten und kam fünf Minuten später wieder bei mir an. Phil und Miller hatten nun das neue Aussehen unseres Lieblings, und der Fahrer im Dodge gab es inzwischen über Sprechfunk weiter.
Wenn sie uns jetzt entwischen wollte, musste sie aus einem der beiden Fenster klettern, die wir nicht sehen konnten. Aber soviel ich wusste, hatten die Außenmauer kaum Vorsprünge, sodass sie viel zu schnell nach unten kommen würde.
Miss Gelb musste sich jetzt großartig Vorkommen.
Ich versenkte den Karton in eine Eichentruhe, nachdem ich den Hut herausgenommen hatte, und dann gingen wir nach rechts in Richtung Erfrischungsraum, wo vor den Glaswänden hohe, wuchtige Einzelschränke dicht nebeneinanderstanden.
Ich entdeckte einen schmalen Spalt, der uns unsere alte Dame zeigte. Sie sah in Richtung Straße und rauchte eine Zigarette. Ihre Handtasche lag auf dem Tisch, der schwarze Stock lehnte am Nebenstuhl.
Nach allem, was ich bisher von ihr gesehen hatte, musste sie eine ganz anziehende Frau so um die Dreißig herum sein.
Nach Gangsterliebchen sah sie eigentlich nicht aus. Da gibt es jedoch keine Norm. Es gibt welche, die wie Musterschülerinnen aussehen. Allerdings mussten sie dann verträumt in die Gegend sehen und vor allem eisern den Mund halten.
So ganz wohl war mir bei der Pause, die Miss Gelb machte, nicht. Ich fand trotz allem Nachdenken keinen anderen Grund für ihr Verhalten als den Wunsch, sich nach der Nervenanspannung zu erholen.
Ich konnte das nicht recht einsehen, denn die Spannung blieb doch, solange sie nicht endgültig in Sicherheit war. Es konnte leicht ein weiterer Trick dahinterstecken. Das Geld
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